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Geld für alle

Geld in einer Geldtasche
„Einkommen ist ein Menschenrecht. Man kann ,Nein‘ sagen zu allen Leuten, die Druck ausu?ben wollen.“ Götz Werner, Unternehmer und Vordenker beim Grundeinkommen | Foto: Fotolia

Für Kritiker ist bedingungsloses Grundeinkommen subventioniertes Nichtstun, für Befürworter die Antwort auf die Veränderungen in der Arbeitswelt. Eine spannende Idee für die Zukunft ist das bedingungslose Grundeinkommen auf jeden Fall.

Sinnhaftes arbeiten ermöglicht

Es könnte so schön sein: Monotone Arbeiten, in der Fabrik, auf dem Feld oder dem Bau, übernehmen Maschinen. Der Mensch muss nicht mehr buckeln, er hat Zeit für Sinnhaftes. Doch wie soll er die Miete bezahlen? Bedingungsloses Grundeinkommen könnte die Antwort lauten. Jeder Bürger, ob alt oder jung, arm oder reich, erhält ein lebenslanges Einkommen, das an keinerlei Bedingungen geknüpft ist. Die Summe sollte für ein einfaches, aber würdevolles Leben reichen: 1000 bis 1500 Euro monatlich, wer mehr braucht, arbeitet. Eva Douma, Sozial- und Verwaltungswissenschaftlerin in Frankfurt am Main, hat ein Buch über das Thema geschrieben. Sie sagt, das Grundeinkommen ändere die Mentalität: „Da geht es um die Gerechtigkeitsfrage und ein Menschenbild. Das hat ganz viel mit Atmosphäre zu tun.“ Die Angst, dass sich Bezieher in die soziale Hängematte legen, sei unbegründet: „Vielen hilft es, etwas zu machen, sich zu engagieren.“

Befürworter bedingungsloses Grundeinkommen

Die Idee wird oft als „linke Utopie“ belächelt. Dabei stehen auch Unternehmer hinter dem Konzept. Facebook-Chef Mark Zuckerberg beispielsweise oder Tesla-Chef Elon Musk, in Deutschland fordern es Telekom-Chef Timotheus Höttges und Götz Werner, Gründer der Drogeriemarktkette dm. Er gilt als Vordenker beim Grundeinkommen. „Einkommen ist ein Menschenrecht“, schreibt Werner in seinem Buch „Einkommen für alle. Bedingungsloses Grundeinkommen – die Zeit ist reif“. Seine Logik: Es käme jeden Monat Geld aufs Konto. Dann könne man bescheiden leben und „Nein“ sagen zu allen Menschen, die Druck ausüben wollen. Man wäre freier.

Auswirkungen auf Digitalisierung und Sozialsystem

Forschungseinrichtungen kamen darüber hinaus zum Ergebnis, dass das bedingungslose Grundeinkommen Antworten auf drängende Fragen unserer Zeit liefert. Stichwort Digitalisierung: Immer mehr Arbeitsplätze werden künftig durch Maschinen, Roboter und künstliche Intelligenz ersetzt. Hier trifft es nicht nur gering Qualifizierte, sondern die Mittelschicht. Stichwort Sozialsystem: Es heißt, mehr als die Hälfte der Bevölkerung in der modernen Wohlfahrtsgesellschaft sei von den Einkommen anderer oder von Sozialleistungen abhängig. Zudem ist das System ungerecht: Reiche profitieren durch Steuerprivilegien deutlich mehr als Arme.

Rosa Sparschwein

Kritik am bedingungslosen Grundeinkommen

Kritiker des bedingungslosen Grundeinkommen wie Karl Brenke, Ökonom am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, sehen Auswirkungen auf die Löhne. „Sie müssten für Tätigkeiten, die niemand gern macht, steigen, um Anreize zu schaffen“, sagt Brenke. In Berufen, in denen Leute aus Überzeugung arbeiteten, würden die Löhne hingegen sinken. Der Niedriglohnsektor würde wachsen. Auch die Gewerkschaften argumentieren dagegen. „Menschen mit einer Stillhalteprämie aufs Abstellgleis zu stellen, nur weil ihnen keine Perspektive in der Erwerbsarbeit angeboten werden kann, ist keine Lösung“, wetterte DGB-Chef Reiner Hoffmann im Frühjahr am Tag der Arbeit.

Wer soll das alles finanzieren?

Eine ungeklärte Frage bei all den Diskussionen: Wie könnte so ein Geldsegen finanziert werden? Rund eine Billion Euro würde es kosten, alle 83 Millionen Bürger mit tausend Euro monatlich auszustatten. Ein Teil könnte aus Sozialleistungen bezahlt werden, das meiste müsste über Steuererhöhungen reinkommen. Über die Einkommenssteuer, was allerdings die Schwarzarbeit fördern würde, oder über die Mehrwertsteuer, was wiederum denen schadet, die ohnehin wenig haben. Geht es nach dem Philosophen Richard David Precht, dann lässt sich das Grundeinkommen über eine Finanztransaktionssteuer finanzieren, die bei Börsengeschäften erhoben würde: Für die Schweiz etwa wären 0,05 Prozent ausreichend, für Deutschland 0,4 Prozent.

Das Grundeinkommen hat mir mehr Entscheidungsspielraum gegeben.

Katrin, freischaffende Künstlerin

Neu ist die Idee des Grundeinkommens nicht. In den 1960er-Jahren wurde sie in den USA getestet. In Afrika gab es Modelle, die Zahlungen von einem Dollar pro Tag vorsahen. In Indien, Namibia, Kenia und vielen weiteren Ländern wird sie derzeit ausprobiert. In Finnland ging vor wenigen Wochen ein zweijähriger Testlauf zu Ende. Doch meist richtet sich das Grundeinkommen an sozial schwache Menschen. Berlins Bürgermeister Michael Müller schlug zuletzt vor, Hartz IV abzuschaffen und durch ein solidarisches Grundeinkommen zu ersetzen, was in der Praxis bedeutet: Geldleistungen gibt es für gemeinnütziges Arbeiten. „Das“, kritisiert Eva Douma, „ist eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, ein besser bezahlter 1-Euro-Job.“

Startups „Mein Grundeinkommen“ testet bedingungsloses Grundeinkommen

Das gemeinnützige Start-up „Mein Grundeinkommen“ testete ein echtes bedingungsloses Grundeinkommen, für das sich jeder bewerben konnte. Die Berliner sammelten seit 2013 über Crowdfunding Geld ein, sobald 12.000 Euro zusammen waren, wurde es ausgelost: Der Gewinner erhielt ein Jahr lang monatlich 1000 Euro. Das Thema solle in der Gesellschaft Gehör finden, fast 200 Grundeinkommen wurden bislang vergeben. Nutznießer wie Katrin, freischaffende Künstlerin aus Köln, freuen sich. Dank des Geldes konnte sie ihr Studium schneller beenden, ein Buch schreiben, ihren Sohn unterstützen und sich ein neues Standbein aufbauen: „Das Grundeinkommen hat mir mehr Leichtigkeit, Entscheidungsspielraum und Planungssicherheit gegeben.“

Von Daniel Hautmann

von Online-Redaktion