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Fairer Handel – Das neue Wir-Gefühl

Menschenkette
Der Gedanke des gerechten Handels ist ein Vorbild für all die anderen Probleme, wo der Einzelne nur scheinbar wenig ausrichten kann. Denn wenn Millionen andere mitmachen, bewegt sich was im globalen Maßstab | Foto: Shutterstock

Fair entwickelt sich weltweit weg aus der Mitleidsecke der Entwicklungshilfe hin zu einem Vorzeigestandard im Konsum, der Prestige und Mehrwert mit sich bringt.

„Korrekt“ ist eher kein schönes Wort für das ehrliche Bemühen, als Konsument und Bürger verantwortlich zu handeln. Und korrekt zu sein, ist anstrengend: Plastik, CO₂, Energiewende, Ernährung, Verkehr … So viele Themen und immer das Gefühl, sogar die Gewissheit: Ich kann alles richtig machen, wenig fliegen, Plastik vermeiden, Fleisch reduzieren, ein Solardach installieren – und mir damit ein gutes Gefühl verschaffen. Aber kann ich mit individuellen Handlungen auch nur ein Millionstel des jeweiligen globa­len Problems bekämpfen, das gute Vorbild für andere schon mit eingerechnet?

Die Erfolgsgeschichte des Fairtrade-Siegels

 

Dieter Overat

Ich kann. Wir alle zusammen können, wie sich zeigt. Denn wenn Millionen andere mitmachen, bewegt sich etwas im globalen Maßstab – genau das schafft offenbar die Idee des fairen Handels, mehr und mehr. Das bekannteste Symbol dieser Bewegung, das „Fairtrade“-Siegel, ist eine erstaunliche Erfolgsgeschichte. 2018 wurden mit Produkten mit diesem Siegel in Deutschland 1,6 Milliarden Euro umgesetzt, eine Steigerung um 22 Prozent zum Vorjahr. Bei einzelnen Waren hat der Marktanteil inzwischen beachtliche Dimen­sionen erreicht. Kaffee: 4,5 Prozent. Kakao: 10 Prozent. Bananen: 13,5 Prozent. Dieter Overath, Deutschland-Chef des Trägervereins Transfair, schätzt das so ein: „Wir sind aus der Nische heraus, noch nicht komplett im Mainstream, sondern dazwischen.“

Was bedeutet „Fair gehandelt“?

 

„Fair gehandelt“ bedeutet: Die Produzenten – ob Klein­bauern, Arbeiter in Kooperativen oder auf Großplantagen – werden „fair“, nach Möglichkeit existenzsichernd entlohnt. Kinderarbeit ist verboten, Gesundheitsschutz und Arbeitszeiten sind geregelt, auch ökologische Standards werden eingehalten. Am anderen Ende der Kette wird dabei ein Aufpreis gezahlt. Wir – die Verbraucher in der „Ersten Welt“ – sind bereit, den fairen Preis zu zahlen, damit in der „Dritten Welt“ ein Stück Menschenwürde, Respekt und Gerechtigkeit hergestellt wird. Etwas überspitzt ge­sagt, hebeln wir damit die Logik des Ellenbogen-Kapi­talismus aus, durch eine bewusste moralische Entscheidung. Parallel zum „Bio“-Trend, und vielleicht noch kraft­voller, hat der faire Handel die Supermärkte und sogar die Discounter er­reicht. Also jene Sphäre, in der Massen umge­setzt werden und die im Erzeugerland wirklich etwas bewirkt.

Mehr als „Fairtrade“

 

Fair handeln ist weitaus mehr als „Fairtrade“ und nicht nur ein gerechterer Austausch mit der Dritten Welt. Es ist eine grundsätzliche Haltung. Da sind zum Beispiel die heimischen Bauern, die unter Marktbedingungen keinen Preis für ihre Milch erzielen können, der ihrem Aufwand auch nur annähernd entspricht. Viele Menschen bezahlen gern etwas mehr, um diese strukturelle Ungerechtigkeit auszugleichen.

Kaffee

Mangelnde Transparenz bei Siegeln

 

Natürlich ist nicht alles perfekt. Siegel sind, ­wie in den größeren Sektoren „Öko“ und „Bio“, in manchen Punkten umstritten. Da geht es um unscharfe Definitionen und unterschiedliche Kriterien, um mangelnde Transparenz. Auch die Gebühr, um zertifiziert zu werden und mit dem Siegel werben zu dürfen, ist nicht unerheblich, bei Kaffee zum Beispiel 22 Cent pro Kilo. Man würde die Idee des fairen Handels überfordern, wenn man Fehlerfreiheit bei den Akteuren und eine Lösung für alle Probleme erwarten würde.

Die Chance für eine bessere Welt

 

Skeptiker sagen, das Motiv sei eine Art moderner Ablasshandel: Wir erkaufen uns ein gutes Gewissen, während eine bessere – und dazu gehört: gerechtere – Welt in Wahrheit auf ganz anderen Ebenen erstritten werden müsste. Die Historikerin Ute Frevert beschäftigt sich in ihrem neuen Buch („Kapitalismus, Märkte und Moral“, Residenz Verlag) auch mit der oft beschworenen Macht der Konsumenten. Ihr Einwand: Wenn man sich von ungerechten Verhältnissen freikaufen könne, löse sich die moralische Substanz des Gemeinwesens auf.

Aber abgesehen von der Frage, was der Einzelne für Spielräume hat, außer seiner Kaufentscheidung – ist es nicht okay, ein gutes Gewissen zu haben, wenn die Summe dieser Entscheidungen wirklich einen Unterschied macht?

Jeder kann etwas bewirken

 

Deshalb ist der Erfolg von „Fairtrade“ und der Gedanke des gerechten Handels ein Vorbild für all die anderen Probleme, wo der Einzelne scheinbar wenig ausrichten kann. Wenn viele für sich verantwortlich mit Plastik umgehen, wird es sich auswirken. Das muss niemanden davon abhalten, sich einer Bürgerinitiative, einer Partei oder „Fridays for Future“ anzuschließen.  Denn natürlich haben leichtfertig ausgerufene Handels-„Kriege“ einen dramatisch größeren Effekt auf die Weltwirtschaft als die Macht der Konsumenten. Aber wenn „korrektes“ Handeln die Chance eröffnet, die Welt tatsächlich zu einem besseren Ort zu machen, dann sollten wir sie doch gleich beim Schopfe fassen!

„tegut… fairbindet“

das "tegut...fairbindet" Logo

tegut… unterstützt das Prinzip des gerechten Handels auch mit eigenen Projekten: Das „tegut… fairbindet“-Logo zeichnet Produkte aus, die unter fairen Bedingungen angebaut und gehandelt werden. Bio-Bananen von Kleinbauern-Koopera­tiven aus der Dominikanischen Republik etwa, aber auch Milch aus dem Vogelsberg, für die die Bauern mindestens 40 Cent pro Liter bekommen.

Von Raimund Witkop

von Online-Redaktion