tegut… Ihr Supermarkt für gute Lebensmittel

Es lebe Grün!

Kraft Farbe Grün
Foto: Stocksy

Seit jeher knüpfen wir Menschen die höchsten Sehnsüchte und Erwartungen an Grün. Eine kleine Geschichte über unsere Beziehung zur vielleicht schönsten, facettenreichsten und sicherlich ambivalentesten Farbe auf der Palette.

"Es gibt eine Kraft aus der Ewigkeit und diese Kraft ist grün.“ Vor bald tausend Jahren war Hildegard von Bingen überzeugt davon, dass alle Lebewesen von einer einzigen Kraft beseelt seien. Viriditas nannte sie die: Grünkraft.

Für die legendäre Äbtissin, Theologin und Naturwissenschaftlerin war diese Superpower in uns der Ausgangspunkt für jegliche Heilung. So viele Jahrhunderte vor der Erfindung von Bürostress, Social Media und Smartphones ging von Bingen davon aus, dass Monotonie und Anspannung im Alltag unsere Heilkraft schwinden ließen.

Was ihr wieder beim Erstarken half? Aufenthalte und Bewegung im Grünen natürlich! Bis zur ersten Beschreibung eines grünen Pflanzenfarbstoffs durch Heinrich Friedrich Link waren es dann noch rund 650 Jahre. Längst kennen wir Chlorophyll (auch Blattgrün genannt) als Farbstoff, der es Bäumen, Gräsern oder Algen durch das Wunder Photosynthese möglich macht, aus Sonnenlicht Energie zu gewinnen.

Die Bedeutung von Grün

Chlorophyll ist also immer dann im Spiel, wenn es in der Natur so herrlich grünt. Wortstamm und auch Bedeutung von Grün finden sich sowohl im althochdeutschen Wort gruoen (wachsen, sprießen oder gedeihen) als auch noch sehr viel früher im germanischen Wort ghro.

Rückbesinnung auf die Natur

Grün ist heute aktueller denn je: Die Coronaängste und damit verbundenen Zumutungen im Alltag haben die Rückbesinnung auf die Natur und das Ins-Grüne-Gehen befeuert. Laut einer US-Studie nahm für viele Menschen die positive Bedeutung von Aufenthalten in der Natur zu. 26 Prozent der Befragten, die sich während der ersten Pandemiemonate in Parks aufhielten, waren im Jahr zuvor sogar kein einziges Mal bewusst in der Natur gewesen.

Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg bat 2020 Waldbesucher in der Region darum, zu sagen, was sie vor allem hingezogen habe zu Tannen, Eichen, Buchen. Ganze 91 Prozent gaben an, dort Abstand von psychischen Belastungen im Alltag zu suchen.

Natur malen

Naturdefizit-Störung bei Kindern

Grün wird heute gedanklich in erster Linie mit Entspannung und Erholung in der Natur verknüpft, mit „Durchatmen“ oder „Abschalten“. Der US-amerikanische Journalist Richard Louv sieht den Grund für unseren steten Drang, in die Natur zu gehen, in einem Streben nach einem natürlichen Gleichgewicht. Die Verbindung von Körper, Geist und Natur bezeichnet er als „Vitamin N“. Preisfrage: Welche ist wohl die dominierende Farbe auf dem Cover seines gleichnamigen Buches? Immer mehr Menschen verbringen einen Großteil ihrer Zeit vor Computerbildschirmen oder Smartphones, was laut Louvs Buch bei Kindern und Jugendlichen zu Hyperaktivität und später, bei Erwachsenen, zu Burn-out führen könne. Er drängt deshalb auf eine Reintegration der Natur in unseren Alltag.

Schon 2005 prägte Louv den Begriff der Naturdefizit-Störung („Nature deficit disorder“). „Da junge Menschen immer weniger Zeit ihres Lebens im Grünen verbringen, verengen sich ihre Sinne, sowohl physiologisch als auch psychologisch“, sagt er. Das lasse sich nur durch regelmäßige Aufenthalte im Freien beheben.

Kreative Naturerfahrungen

Der Psychologe und Naturtherapeut Hilarion Petzold spricht von kreativen Naturerfahrungen als „grünem Lebenskapital“ – was wir da draußen sehen und erleben, können wir demnach als Wohlgefühl in uns abspeichern.

Auf der symbolischen Ebene steht Grün für den Triumph des Frühlings über den kalten Winter – und somit für Hoffnung. So gab es etwa den heidnischen Brauch, beim Verkauf eines Hauses einen immergrünen Zweig zu überreichen. Man glaubte, dass darin die guten Geister wohnen – wer sich keine eigenen vier Wände leisten konnte, kam also nie „auf einen grünen Zweig“.

Im Christentum ist Grün als Osterfarbe Ausdruck für Erneuerung und die Befreiung von Sünden. Die Bezeichnung „Gründonnerstag“ könnte unter anderem vom Brauch herrühren, am Donnerstag der Karwoche etwas Grünes zu essen, etwa Kohl. Grün repräsentiert die üppige Vegetation des Paradieses. Sie ist auch die Farbe des Islam, Mohammed der Prophet sagte: Das Anschauen von Grünem ist Gottesdienst. In den heißen, kargen Wüstenstaaten konnte nur überleben, wer rechtzeitig eine grüne Oase erreichte. Auch deshalb sind Moscheen oft mit grün schimmernden Dächern und Schmuckelementen ausgestattet und werden im Nahen Osten nachts grün angestrahlt.

Grün ist uns ein Bedürfnis. Und mehr denn je ist die Farbe eine satte Metapher für Hoffnung, Wachstum, Nachhaltigkeit. Wir sprechen vom grünen Daumen, der grünen Lunge, sind uns grün. Im Gegensatz zu Rot signalisiert Grün die Abwesenheit von Hindernissen: Wir fahren bei Grün, Notausgänge sind grün beleuchtet und wir freuen uns, wenn jemand grünes Licht gibt oder wir gar grüne Welle haben.

Grün wirkt auf uns umweltfreundlich, knackig und frisch. Auch Veggie- und vegane Produkte bekommen eine grüne Verpackung oder zumindest ein grünes Logo verpasst, weil Verbraucher laut Marktforschung damit am ehesten Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit verbinden. Chlorophyllhaltige Smoothies und Algensalat werden als Wunderwaffen gegen Müdigkeit oder Verstimmung beworben.

Biophilic Design als Trend

Aus farbpsychologischer Sicht wirkt Grün ungemein beruhigend, aber ohne müde zu machen, weshalb es lange eine beliebte Farbe zur Gestaltung von Wohnräumen war – und neuerdings wieder wird. Von Goethe sind die heimeligen Sätze überliefert: „Man will nicht weiter und man kann nicht weiter. Deswegen für Zimmer, in denen man sich immer befindet, die grüne Farbe zur Tapete meist gewählt wird.“

Architekten und Designer setzen auf Grün

Wo Grüntöne im Großstadtdschungel untergehen, bemüht sich das sogenannte Biophilic Design um Ausgleich: Architekten und Designer integrieren bewusst Natur ins Interieur, etwa in Form bodentiefer Fenster mit Blick ins Grüne, aber auch durch das Imitieren natürlicher, weicher Formen oder den Einsatz von Pflanzen, Wasserinstallationen, natürlichen Luftströmen, Geräuschen oder Düften.

„Held des Waldes“, „Hüterin der Freiheit“, „Sanfter Morgentau“ … Mit klangvollen Namen trösten uns grüne Wandfarben immerhin darüber hinweg, dass wir schon länger keinen Wald mehr von innen gesehen haben. Aber nicht jedem gefiel schon damals die Mode, Salons ganz in Grün zu kleiden.

Der Maler Wassily Kandinsky etwa verachtete die Farbe als „eine dicke, sehr gesunde, unbeweglich liegende Kuh, die nur zum Wiederkäuen fähig mit blöden, stumpfen Augen die Welt betrachtet“. Grün ist also nicht nur positiv besetzt. Häufig wird die Farbe auch mit Unreife gleichgesetzt – Stichwort „Grünschnabel“ oder „noch grün hinter den Ohren“. Von grünen Erdbeeren oder Bananen sollte man die Finger lassen.

Grün steht auch für Gefahr

Grünes steht also auch für Gefahr: Die Drachen und Lindwürmer aus früheren Märchen und Sagen sind grün, ebenso Spidermans Widersacher, der Grüne Kobold. „Giftgrün“ ist die einzige Farbbezeichnung in der deutschen Sprache, die auf Ungesundes hinweist.

Tatsächlich gab es giftige grüne Farbstoffe, der bekannteste war Schweinfurter Grün, das aus einer Verbindung von Essigsäure, Kupfer und Arsen bestand. Auch Pariser Grün oder Mitisgrün genannt, wurde es unter anderem zum Bedrucken von Tapeten benutzt. Doch sobald es von Pilzen oder Bakterien zersetzt wurde, konnten Arsenpartikel in die Atemwege und damit den Kreislauf gelangen.

Vincent van Gogh schätzte das Schweinfurter Grün für seine Leuchtkraft, er liebte es, sich über die natürlichen Farben von Gegenständen hinwegzusetzen, und malte in seinen Bildern auch mal den Himmel grün. Ihm wurde allerdings etwas anderes zum Verhängnis: die Grüne Fee. Ob der Künstler sich allerdings wirklich im Absinthrausch einen Teil seines Ohrs abschnitt, fällt bis heute in den Bereich grüner Mythen.

Grün, diese alles dominierende Farbe in der Natur, changiert in der menschlichen Wahrnehmung also zwischen Harmonie und Gefahr. Das beschrieb schon Eduard Petzold 1853 in seiner „Farbenlehre der Landschaft“: „Je nachdem, ob es sich zu Gelb oder Blau hinneigt, ist Grün kalt oder warm, beruhigend oder aufregend.“

In Grün steckt irgendwie ein ganzer Regenbogen. Seine Anziehung auf uns wird nie alt, weil wir stetig nach Kraftquellen suchen, angetrieben von dem Wunsch nach Wachstum.

Grün Superpower

Mossgrün

Zum Leidwesen von Hobbygärtnern können Moose andere Pflanzen verdrängen und nachhaltig schädigen. An anderen Stellen sind sie aber sehr wichtig für den globalen Wasserhaushalt. Nicht zuletzt sorgen Moose dafür, dass CO₂ gebunden wird.

Apfelgrün

Anfangs sind alle Äpfel grün. Ob sie es bleiben (wie zum Beispiel der Granny Smith) oder später gelb, rot oder orange werden, darüber entscheiden ihre Gene. Rote Äpfel enthalten zusätzlich zum Chlorophyll die Farbstoffe Anthocyane, gelbe Äpfel Carotin.

Lindgrün

Die Linde galt bei den Germanen als heiliger Baum, angeblich wurde sie der Göttin Freya zugeschrieben. Viele Orte hatten früher ihre eigene Dorflinde, die das Zentrum des Ortes versinnbildlichte und im Mai Treffpunkt für Tanzfeste und „Brautschau“ war.

Birkengrün

Die Birke gilt mit Abstand als lichthungrigster Waldbaum in Europa. Abgesehen davon ist sie extrem pflegeleicht: Sie kommt mit wenig Wasser aus und steckt Temperaturen von -36 bis +40 Grad weg – Extreme, die hoffentlich nicht zur Norm bei uns werden …

Algengrün

enthält Grünkraft hoch zehn: Meeresalgen sind extrem effiziente Lebewesen. Bei der Photosynthese können sie Produkte erzeugen, die wir in Form von Bio-Gas, Bio- Diesel, Bio-Wasserstoff oder Bio-Ethanol als Energiequelle verwenden können. Das qualifiziert sie als vielversprechende alternative Energiequelle für die Zukunft!

Avocadogrün

Nicht die Farbe der Schale, sondern die des Fruchtfleischs wird damit beschrieben. Es gibt die Früchte schon seit 65 Millionen Jahren. Mammuts fraßen die Frucht ganz und schieden den Kern wieder aus. Das ermöglichte die Verbreitung über große Distanzen hinweg.

Tannengrün

„Drum soll mein Herz auch immerdar / In Lieb’ und Treue blühn / Der Tanne gleich beständig sein / Und immer frisch und grün“ – so bedichtete Georg C. Dieffenbach im 19. Jahrhundert die Verlässlichkeit von Nadelbäumen, die im Winter ihre Farbe behalten.

Südseegrün

Welche Farbe hat das Meer? Gar nicht so leicht zu sagen: mal blau, mal bräunlich oder grau. In der Karibik wirkt es so herrlich türkis, weil der weiße Korallensand im flachen Wasser das Sonnenlicht reflektiert und alle Wellenlängen des Lichts dabei zurückwirft.

Salbeigrün

liegt im Trend – als sanfte Farbe für Kleidung oder Wände. Wer mehr fürs Wohlgefühl tun will, kann Salbei auch innerlich anwenden: Studien zeigen, dass die Heilpflanze nicht nur gegen Erkältungen und Entzündungen wirken kann – sondern auch stimmungsaufhellend.

Kleegrün

Der Sage nach wählte der irische Schutzheilige St. Patrick ein dreiblättriges Kleeblatt, um dem keltischen König Laoghaire die Dreifaltigkeit zu erklären: Die drei Blätter symbolisierten Vater, Sohn und Heiligen Geist. Da Irland den Beinamen „die grüne Insel“ trägt, wurde die Farbe zum Inbegriff des nationalen Bewusstseins.

von Online-Redaktion