10 Dinge, die nach Corona (vielleicht) besser werden

Optimisten glauben, die Welt werde nach Corona nicht nur eine andere sein, sie könnte sich sogar zum Positiven verändern – und ökologischer, digitaler, effizienter werden.
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Natürlich kann niemand von uns in die Zukunft sehen. Kommt es zu einer neuen Infektionswelle? Wie schnell erholt sich die Wirtschaft? Behalte ich meinen Arbeitsplatz? Aber so wie in der Vergangenheit Krisen oft zu positiven Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft geführt haben, so beschleunigt womöglich auch die Corona-Pandemie Veränderungen, die ohne Innehalten und Nachdenken zumindest nicht so schnell gekommen wären.
Welche Arbeitsplätze und welche Reisen braucht es nach Corona
Für den amerikanischen Kulturphilosophen Charles Eisenstein ist COVID-19 eine Reha-Intervention: „Wenn die Krise abklingt, haben wir vielleicht Gelegenheit, uns zu fragen, ob wir zur Normalität zurückkehren wollen oder ob wir während der Unterbrechung unserer Routinen etwas erlebt haben, das wir in die Zukunft mitnehmen wollen. Nachdem so viele Menschen ihre Jobs verloren haben, könnten wir uns fragen, ob es sich bei allen um die Arbeitsplätze handelt, die die Welt am meisten braucht, oder ob unsere Arbeitskraft und unsere Kreativität anderswo besser eingesetzt werden könnten. Wir könnten uns fragen, nachdem wir eine Zeit lang darauf verzichtet haben, ob wir wirklich so viele Flugreisen, Disneyworld-Urlaube oder Messen brauchen.“
10 positive Trends nach Corona-Krise
Für die Optimisten unter den Zukunftsforschern und Soziologen ist jedenfalls klar, dass sich positive Trends, die es schon vor der Krise gab, verstärken werden.
- Regionales und nachhaltiges Essen gewinnt an Wert
Die Menschen griffen schon während der Pandemie vermehrt zu regionalen, nachhaltig hergestellten Lebensmitteln, so eine Studie der Universität Göttingen – ein Trend, der bleibt. Kathrin Hartmann, Autorin für Nachhaltigkeitsthemen, ist sicher, was Verbraucher in Zukunft goutieren: „Eine ökologisch und sozial gerechte Landwirtschaft, mehr Unabhängigkeit von großen Konzernen, gerechte Preise für die Erzeuger, mehr Umweltschutz.“ Die industrielle Massentierhaltung wird zum Auslaufmodell. - Umweltschutz ist Seuchenschutz
Diese Formel gewinnt bei den Menschen weiter an Stellenwert. Forscher wissen: Pandemien werden etwa auch durch das Abholzen des Regenwalds begünstigt. „Durch einen starken menschlichen Kontakt mit Tieren steigert sich die Übertragung. Wenn wir Regenwaldgebiete vernichten und in den Regenwald vordringen, wird die Gefahr von Ansteckung größer“, weiß Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Halle. - Die Agenda Umwelt
Die politischen Parteien werden grünen Themen deutlich mehr Gewicht geben müssen, wollen sie noch Wahlen gewinnen. Maja Göpel, Expertin für Nachhaltigkeitswissenschaft, glaubt, dass Ziele wie Klimaschutz, Ressourcenschonung oder Verminderung von Emissionen in jedem künftigen Wahlprogramm stehen. Von den gewählten Parteien fordert der Philosoph Richard David Precht Rückgrat: „Wir brauchen zur Bewältigung der Klimakrise einen Staat, der verbietet, der einschreitet, der klare Grenzen setzt, der kontingentiert.“Maja Göpel: Die Corona-Krise als Chance zum Umdenken | Foto: Marlena Waldthausen - Die Digitalisierung bei der Bildung feiert – trotz aller Probleme in der Krise – ihren Durchbruch. Grundvoraussetzungen: gute technische Ausstattung für alle Familien, optimale Unterstützung für alle Eltern. „Es wird nahezu unmöglich sein, diesen Geist wieder zurück in die Flasche zu stecken“, ist Deborah Tannen, Professorin für Linguistik an der US-Universität Georgetown, mit Blick auf Homeschooling überzeugt. Eine passgenaue Digitalisierung etwa könne besser als die Schule für eine individualisierte Förderung einzelner Schüler sorgen.
- Konferieren per Videomeetings
Onlinetreffen lösen auch nach der Pandemie oft das Meeting vor Ort ab. Hilft auch dem Klima: Die Treffen am Bildschirm sparen nämlich jede Menge CO₂ (und Geld!) ein, weil unter anderem Anreisen mit Auto, Zug oder Flugzeug wegfallen. - Glaubwürdige Wissenschaft
Das Coronavirus hat – bei allen aufgetauchten Unwägbarkeiten – auch vielen Zweiflern klargemacht, dass man den Erkenntnissen von Forschern ruhig glauben kann. Sonja Trauss, Direktorin der kalifornischen Non-Profit-Organisation YIMBY Law, sagt: „Anders als beim Tabakkonsum oder beim Klimawandel, vor denen Wissenschaftler oft ungehört warnen, konnten Wissenschaftszweifler die Auswirkungen des Coronavirus sofort erkennen.“ Das habe die Akzeptanz von Forschungsergebnissen erhöht. Die Hoffnung: Der Kampf gegen den Klimawandel könnte neuen Rückenwind erhalten. - Neue Freunde
Trotz Social Distancing sind in der Krise überraschende zwischenmenschliche Beziehungen entstanden. „Paradoxerweise erzeugte die körperliche Distanz, die das Virus erzwang, gleichzeitig neue Nähe“, sagt der Zukunftsforscher Matthias Horx. Seine Belege dafür: „Wir haben Menschen kennengelernt, die wir sonst nie kennengelernt hätten. Wir haben alte Freunde wieder häufiger kontaktiert, Bindungen verstärkt, die lose und locker geworden waren. Familien, Nachbarn, Freunde sind näher gerückt und haben bisweilen sogar verborgene Konflikte gelöst.“Matthias Horx: Familie, Freunde, Nachbarn sind näher gerückt | Foto: Klaus Vyhnalek - Dienst an allen Menschen
Die Pandemie hat klargemacht: Die Pflege von Kranken und Älteren hat einen enormen Stellenwert für die Gesellschaft. Beim abendlichen Danke-Klatschen und einer einmaligen Geldprämie soll es nicht bleiben. Pflegekräfte, Krankenschwestern oder Klinikärzte sollen die neue Wertschätzung laut Bundesregierung langfristig auf dem Gehaltsauszug nachlesen können. Philosoph Precht schlägt vor: „Ich möchte eine Art Solidaritätszuschlag für diese Leute.“ - Rückgang der Gier
„Achtsamkeit, Respekt und Rücksicht wurden gestärkt, Egoismus, Geiz und Gier sind die Verlierer der Pandemie!“ Davon ist Zukunftsforscher Horst Opaschowski überzeugt. Die Menschen hätten auf andere achtgegeben – dieses schöne Gefühl der Solidarität werden sie bewahren wollen, weil es stärker ist und länger anhält als die Freude über Besitz.Horst Opaschowski: Achtsamkeit, Respekt und Rücksicht wurden gestärkt | Foto: dpa picture-alliance/mauritius images - Neue Sichtweisen
Die Zeit des Social Distancing hat innovative Ideen in Sport oder Kultur hervorgebracht – virtuelle Rundgänge durch die Museen, Konzerte aus den Wohnzimmern von Weltstars und Trainingsstunden für Kinder im Internet. Was bleibt? Mehr Achtsamkeit. „Die ersten Fußballspiele mit Publikum werden nicht mehr von Pöbeleien begleitet sein“, glaubt Zukunftsforscher Matthias Horx. Und größere Wertschätzung. „Auch das Feuerwerk an Ideen von Künstlern hat uns über die Pandemie hinweggeholfen“, sagt Rüdiger Koch, Kulturexperte und Ex-Bürgermeister von Magdeburg.
Von Christian Sobiella
von Online-Redaktion