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Die neue Landlust

Rückkehr des Dorfes
Foto: Gettyimages

Die Schlagworte Landflucht, Leerstand und Überalterung sind eng mit dem ländlichen Raum verbunden. Doch steht es wirklich so schlecht um die Zukunft der ländlichen Regionen? Zukunftsforscher sprechen plötzlich vom leisen Comeback des Dorfes.

Wer wissen will, wie es um den ländlichen Raum in Deutschland bestellt ist, muss die Webseite dorfglück.de besuchen. Sie versteht sich als Forum für Ideen zur Wiederbelebung des Dorfes. Betreiber ist Otmar Weber, 65, aus der saarländischen Gemeinde Ensdorf. Fast sein ganzes Berufsleben hat er dem Thema gewidmet. Erst arbeitete er in der Gemein­deverwaltung, dann zwanzig Jahre bei der „Agentur ländlicher Raum“ des Saarländi­schen Ministeriums für Umwelt und Verbrau­cherschutz. Jahrzehntelang habe es die Politik versäumt, in den Erhalt dünn besiedelter Regionen Geld und Kreativität zu investieren. „Dabei hat der Bürger auf dem Land die gleichen Ansprüche“, sagt Weber. Diese Ungerechtigkeit treibt ihn an.
Otmar Weber93 Prozent der Fläche Deutschlands wird von Gemeinden jenseits der großen Metropolen einge­nommen. 77 Prozent der Deutschen wohnen in Städten oder Ballungsgebieten. 15 Prozent leben laut Statista in einem Dorf mit weniger als 5000 Einwoh­nern. Und die Entwicklung ist seit vielen Jahren eine Einbahnstraße: Wer jung ist, zieht in die Stadt. Die Folge: Es fehlt an Ärzten, Geschäften, Vereinen, öffent­lichen Verkehrsmitteln.

Glokalisierung

Allerdings deuten Zukunftsforscher gerade einen leisen Trend zum Comeback des Dorfes an. Erstmals seit zwanzig Jahren ziehen mehr Menschen aus den sieben größten deutschen Städten weg, als hinzukommen. „Die Heimat, die Sehnsucht nach regionaler Verbundenheit hat wieder Konjunktur“, sagt Daniel Dettling, Gründer des Thinktanks „re:publik – Institut für Zukunftspolitik“.Zukunftsforscher Daniel DettlingSo unterschiedlich wie die Dörfer und Regionen sind die Gründe für die Hinwendung zum Land: steigende Mieten, die Sehnsucht nach Natur oder die Vorzüge der Digitalisie­rung. Man kann weit draußen wohnen und trotzdem mit der Welt vernetzt sein; vor allem, wenn das versprochene schnelle Internet irgendwann flächendeckend zur Verfügung steht. „Glokalisierung“ nennt Zukunftsforscher Dettling den Wandel.

Allerdings betrifft er in erster Linie den Speckgürtel der Metropolen. Vor allem um Berlin entstanden neben Öko­Kommunen auch hippe Co­Working­Spaces. Ein alter Gutshof bei Bad Belzig heißt seit 2017 „Coconat“ und ist einer der ersten ländlichen Co­Working­Spaces Deutschlands. Dort treffen sich Teams, Freiberufler und Digitalnomaden zum Arbeiten. Auch den Gemeinden helfen solche kreativen Projekte, denn sie müssen ansonsten baufällige Gebäude meist auf eigene Rechnung abreißen lassen.
Städter zieht es am Wochenende aufs Land

Moderne Milchhäuschen

In Bad Karlshafen, 4000­ Einwohner­ Stadt in Nordhessen, sollen andere Maßnahmen zünden. Um Besucher anzulo­cken, wurde das Hafenbecken im Ortskern mit Fördergel­dern saniert. „Ob sich die ländlichen Räume mit solchen Zukunftsprogrammen wieder voranbringen lassen, wird sich unter anderem an Bad Karlshafen zeigen“, schreibt das Berlin ­Institut für Bevölkerung und Entwicklung in seiner Studie „Die demografische Lage der Nation“. Gerade Nordhessen gehört zu den westdeutschen Regionen, die am meisten von Abwanderung betroffen sind.

Am wichtigsten seien die Menschen als Motoren für die Wiederbelebung des Dorfes, sagt Otmar Weber. So wie der Geschäftsmann Michael Schramek, der in Jesberg bei Marburg 2016 den Verein „Vorfahrt für Jesberg“ gründete, ein regionales Carsharing­ Angebot. Inzwischen ist er mit der Idee Regio.Mobil in über 30 Dörfern und Kleinstädten in Nordhessen und Thüringen unterwegs. Gemietet werden können Elektroautos und mit Erdgas betriebene Fahrzeuge. Oder Arielle Kohlschmidt und Jan Hufenbach, die Berlin gegen Klein Priebus in der Oberlausitz eintauschten und heute als „Raumpio­niere“ andere Städter beraten, die Natur suchen. Oder Manuela Vollmann und Marion Balzer, die im hessischen 300­ Seelen­ Dorf Eifa eine Bank als Treffpunkt aufstellten, um einmal im Monat mit anderen ins Gespräch zu kommen. Sie wird immer auf einem anderen Hof aufgestellt. „Eifa war tot, wir haben uns nur noch auf dem Friedhof getroffen. Wir brauchten ein modernes Milchhäuschen“, sagt sie mit Blick auf das kommu­nikative Zentrum des Ortes in früheren Zeiten. „Solche sozialen Treffpunkte werden in Zukunft immer wichtiger“, sagt Weber. Einsamkeit werde nämlich ein großes Thema.

tegut… auf dem Land

Tegut Lädchen Dorf Land

Damit die Menschen in ländlichen Gegenden für den täglichen Lebensmitteleinkauf nicht kilometerweit fahren müssen, hat tegut… vor 10 Jahren die „Lädchen für alles“ ins Leben gerufen. „Uns ist die Grundversorgung mit guten Lebensmitteln aus der Region wichtig und dass die Lädchen den Anwohnern als Treffpunkt dienen. Das stärkt auch die Dorfgemeinschaft“, sagt Knut John, tegut… Vertrieb, der aus der Idee 2010 das Konzept dafür entwickelt hat. Das Besondere: Die Orte bewerben sich, tegut… kooperiert dann mit Gemeinden und Sozialeinrichtungen, die sich um den Betrieb kümmern. 28 tegut… Lädchen gibt es inzwischen.

Von Sara Lisa Schäubli

von Online-Redaktion