Gute Lebensmittel: Regionalität, Bio-Anbau, Fleischkonsum

Eine runde Sache: Gute Lebensmittel

Sie schmecken besser, sind oft ökologisch erzeugt und schonen die Ressourcen unseres Planeten. Ein Gespräch mit tegut… Chef Thomas Gutberlet über ein hohes Gut.

Möhren in der Erde
Foto: iStock

tegut... Die Geschichte der Einzelhandelskette

Die Geschichte von tegut… kennt Thomas Gutberlet, 46, von Kindesbeinen an. Großvater Theo hat die Einzelhandelskette 1947 gegründet, Vater Wolfgang leitete sie 36 Jahre. Seit 2009 führt Thomas Gutberlet die Unternehmung. Kein Wunder, dass er sich so leidenschaftlich für gute Lebensmittel einsetzt. Das ist auch beim Interview über sein Lieblingsthema in der Fuldaer Firmenzentrale zu spüren: Fast verpasst er es, seinen Sohn rechtzeitig vom Fußballtraining abzuholen ...

Marktplatz: Sie haben zwei Kinder. Wie erklären Sie ihnen, was ein gutes Lebensmittel ist?
Thomas Gutberlet: Kinder haben ein gutes Körpergefühl und wissen, was ihnen guttut. Dieses Gefühl geht verloren, wenn man sie vor den Fernseher setzt mit all den Werbeimpulsen, und manchmal lassen sie sich auch irritieren durch ansprechende Verpa­ckungsformen. Wir versuchen, ihr Interesse dafür zu wecken, woher die Lebensmittel kommen und wie sie entstanden sind. Dass es etwa Schokolade gibt, von der Kinder durch Schwerstarbeit auf Kakaoplantagen blutige Hände bekommen haben. Dann achten sie vielleicht auf das entsprechende Siegel.

Portrait Thomas Gutberlet
Thomas Gutberlet in der heimischen Küche

Marktplatz: Ist Nutella bei den Gutberlets tabu?
Wenn wir mit den Kindern im Hotel sind und da gibt’s Nutella und sie möchten das unbedingt – okay. Zu Hause werden sie dann wieder das selbst gemachte Nussmus essen. Verbote bringen nichts. Entscheidend ist, was man zu Hause anbietet, was das Geschmackserlebnis prägt. Vieles ist Gewöhnungssache.

Marktplatz: Ein gutes Lebensmittel …
… hat im ursprünglichen Wortsinn die Aufgabe, uns handlungsfähig zu machen. Zu stärken für die Tätigkeiten, die wir uns vorgenommen haben. Für meinen Großvater hatte das noch eine viel elementarere Bedeutung: Ohne Lebensmittelmarken wäre nach dem Krieg Überleben nicht möglich gewesen. Heute stellen wir uns die Frage: Tut mir das Lebensmittel gut? Also: Kann ich besser denken? Bin ich leistungsfähiger? Wenn ich Genuss empfunden habe, mich anschließend aber müde fühle, war es für mich vermutlich kein gutes Lebensmittel.

Kind beim Essen
Gutes Essen macht nicht nur satt, sondern glu?cklich | Foto: Stocksy

Marktplatz: Hat sich das Bewusstsein geändert?
Oft beginnen Menschen erst auf ihren Körper zu achten, wenn es einen Grund gibt: Sport, Schwangerschaft oder Ernährungsunverträglichkeiten. Da unterstützen wir sie gern, aber unser Ziel ist es, sie schon vorher dazu zu bringen, sich mit der Thematik zu beschäftigen und für gute Lebens­mittel zu begeistern.

Marktplatz: Wie gelingt das?
Wir versuchen, sie für das Thema zu interessieren. Am Ende muss aber jeder selbst herausfinden, was für ihn persönlich das Richtige ist. Ich halte wenig von Empfehlungen, weil sie sich immer am Durchschnitt orientieren.

Marktplatz: Der Slogan von tegut… lautet: „Weil Gutes Freude macht.“ Geht es beim guten Lebensmittel auch um diesen Aspekt?
Unbedingt. Wenn Ihnen jemand freundlich ein Stück Torte reicht, weil er sieht, dass Sie Hunger haben, dann ist das bestimmt ein Lebensmittel, das Ihnen bekommt, auch weil es mit einer sozialen Geste der Freundschaftlichkeit gegeben wurde. Ein unfreundlich gereichter Bio-Apfel kann schwer im Magen liegen, wenn er im Streit gegessen wird.

Marktplatz: Ist regional besser als bio?
Am besten wäre Regionales und Saisonales in Bio-Qualität. Weniger Transporte sind gut, aber die Gifte auf dem Acker in der Nachbarschaft, die das Essen und das Grundwasser belasten, sind schädlich und einfach überflüssig. Daher müssen wir uns von diesen Entweder-oder-Fragen trennen. Der Punkt ist: Wo gelingt uns heute welcher Schritt? Die Strenge, mit der jemand rangeht, muss jeder mit sich ausmachen. Das gilt ja nicht nur für Lebensmittel. Jeder weiß: Er hat seine „Sündenfälle“. Das iPhone zum Beispiel. Das ist weder besonders ökologisch noch gesundheitsfördernd, und die Arbeitsbedingungen, unter denen es hergestellt wird, sind vielfach auch fragwürdig. Ich nutze es trotzdem – intensiv sogar! Ich habe das Fairphone ausprobiert, es ist aber leider noch keine Alternative für mich! Am besten sind regionale und saisonale Lebensmittel in Bio-Qualität.

Am besten sind regionale und saisonale Lebensmittel in Bio-Qualität.

Marktplatz: Was kommt bei Ihnen sicher nicht auf den Tisch?
Wenn ich einkaufen gehe, orientiere ich mich: Gibt’s die Sachen in Bio? Oder bei Fisch: Ist er MSC-zertifiziert? Was brauche ich für die Rezepte, die ich vorhabe, zu kochen? Eisern bleibe ich, wenn es um das Thema Gentechnik geht.

Marktplatz: Was ist die größte Sauerei für Sie bei Lebensmitteln?
All das, was passiert, aber nicht sichtbar ist. Wenn geschummelt wird. Oder mit falschen Labels gearbeitet wird. Wenn unethisch gehandelt wird. Oder Werbung bloß vorgaukelt, dass etwas regional ist, zum Beispiel. Wir definieren Letzteres mit unserem Regionallogo sehr streng und bekommen dafür viel Zuspruch von unseren Kunden.

Geschnittene Champignons
Foto: Shutterstock

Marktplatz: Wie versuchen Sie, die Kunden von guten Lebensmitteln zu überzeugen?
Wir geben ihnen Infos und Hintergründe. Es geht nicht darum, jemanden zu belehren, sondern Tipps zu geben und zu unterstützen. Über viele Produkte lassen sich interessante Dinge erzählen, das machen wir dann auch. So kann jeder für sich überlegen, was für ihn ein gangbarer Weg ist. Wenn du bestimmte Produkte eben einfach magst, in Ordnung. Aber vielleicht wählst du dazu ja mal ein Bio-Brot oder eine Bio-Butter. Dann ist das schon ein Ansatz. Oder beim Fleisch – regional aus kontrolliert artgerechter Tierhaltung und ohne Gentechnik in LandPrimus Qualität. Überleg doch mal, was du lieber magst. Bei Bio-Nudeln und anderen Bio-Produkten ist es ja sogar schon so, dass sie billiger sind als herkömmliche Markenprodukte. Oder ich kaufe eine tegut… Eigenmarke, die ist zwar nicht immer gleich bio, aber ohne Geschmacksverstärker, Farbstoffe und all dem anderen Trara, der in Lebensmitteln eigentlich nichts zu suchen hat.

Marktplatz: Und die Qualität schlägt sich im Geschmack nieder.
Weniger ist oft mehr. Wenige Zutaten, die noch nach dem schmecken, was sie sind. Eine Erdbeere oder Tomate – frisch, in der Saison, ohne weite Wege und natürlich gewachsen ohne „Aufputschmittel“ (das heißt bio) – der echte, pure Geschmack macht den Genuss aus. Der muss sich preislich nicht nachteilig auswirken, denn in der Saison sind die Produkte meist günstiger.

Zwei Hühner
tegut… war vor über 30 Jahren der erste klassische Lebensmittelmarkt, der Bio-Produkte im Sortiment hatte | Foto: iStock

Die tegut... Eigenmarke mit Reinheitsversprechen

Bio ist gut, oder? Ja schon, aber: Was heißt eigentlich gut? Die tegut… Eigenmarken mit ihrem Reinheitsversprechen sind es, weil sie frei von Geschmacksverstärkern, Farb- und Süßstoffen sind (mehr unter „Reinheitsversprechen“ bei tegut.com). Und fair erzeugte Produkte ohne Gentechnik kleiner Erzeuger sind es sowieso, selbst wenn sie kein Bio-Label tragen. Und wenn Schokocreme uns glücklich macht, ist das ebenfalls gut.

Fakten zu Bio-Lebensmitteln

  • Die Idee des Öko-Landbaus entstand in den 20er Jahren, ab 1924 hielt der Anthroposoph Rudolf Steiner Vorträge über alternative Landwirtschaft.
  • Ideal des Bio-Anbaus ist ein Betriebskreislauf, in dem Ackerbau, Bodenfruchtbarkeit, Tierhaltung und Düngung miteinander verbunden und aufeinander abgestimmt sind.
  • Die bekanntesten Anbauverbände sind Bioland, Demeter und Naturland. Insgesamt gibt es hierzulande acht Bio-Verbände (Infos: makecsa.org).
  • Bei tegut… gibt es seit über 30 Jahren Bio-Lebensmittel, heute 3800 verschiedene Bio-Produkte.

Glutenfrei und ohne Laktose ist nicht immer gesünder

„Ohne Gluten“ oder „ohne Laktose“ steht auf immer mehr Lebensmitteln. Wer diese Stoffe nicht verträgt, weiß sofort, wonach er greifen darf. Gut so! Doch den meisten Menschen bekommen Getreideprodukte und Milch bestens, sie können sie vollauf genießen. Sie vorsichtshalber zu meiden, ist dann nicht nötig – und auch nicht gesünder.

18 Millionen Tonnen Essen landen im Müll

Im Oktober ist das Gros der Ernte eingeholt. Warum nicht mal innehalten und unser Essen wertschätzen: Danke sagen? Denn in jeder Möhre und in jedem Korn stecken viel Arbeit und auch Leidenschaft. Doch hier­zulande landen pro Jahr 18 Millionen Tonnen Essen im Müll, errechnete die Umweltorganisation WWF. Zeit also, etwas dagegen zu tun. Lebensmittel, die laut Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen sind, müssen nicht gleich weggeworfen werden. Es besagt nur, wie lange ein Produkt mindestens haltbar ist. ­Oft ist es noch weit über dieses Datum hinaus lecker und genießbar.

Bio-Lebensmittel müssen nicht viel kosten

Gut und gesund zu essen, ist nicht unbedingt eine Frage des Geldbeutels. Eher schon eine der Planung: Wird vor allem mit frischen (Bio-)Lebensmitteln gekocht, ist dies meist günstiger, als Fertigkost zu kaufen. Auch saisonal und regional einzukaufen, entlastet die Kasse. Und wenn Ideen für preiswerte Rezepte fehlen? Dann lohnt der Blick auf die tegut... Kochen-&-Genießen-Seiten. Hier gibt es jede Menge erprobte Anleitungen, Videos inklusive: tegut.com

Alte Obst- und Gemüsesorten neu entdeckt

1331 Apfel- und 1037 Birnensorten beschrieb der Pomologe Jakob Dochnahl (1820–1904) zu seiner Zeit! Jetzt sind die alten, fast vergessenen Obst- und Gemüsesorten wieder im Kommen. Sie sind geschmacklich nämlich unwiderstehlich! Schon mal in einen „Mairac“ gebissen? Ein harmonischer, saftiger Apfel vom Bodensee, den es Anfang 2018 wieder bei tegut… gibt. Oder jetzt aktuell „Red Kuri“-Kürbisse und samenfeste Rote Bete namens „Robuschka“.

Frau bei der Apfelernte
Foto: Fotolia

Fleischkonsum: Klasse statt Masse

Auch ohne ethische Bedenken: Beim Fleischkonsum nützt „weniger, aber besser“ sowohl der Umwelt als auch der Gesundheit. Aus Bio-Erzeugung ist es oberlecker, und Tiere sind als ­Teil der biologischen Kreislaufwirtschaft auf dem Hof sinnvoll. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung rät zu nicht mehr als 300–600 Gramm Fleisch die Woche – gegessen wird aber im Schnitt mehr als ein Kilo! Vielleicht machen Sie’s wie Paul McCartney und führen einen „meatfree Monday“, einen fleischlosen Montag ein? Wer weniger Fleisch isst, kann sich besseres leisten …

Lebensmittel: den Überblick behalten

Der US-Ernährungsautor Michael Pollan rät in seinem unterhaltsam geschriebenen Buch: „Essen Sie nichts, was Ihre Großmutter nicht als Essen erkannt hätte“ (Goldmann 2011, erw. Neuauflage Nov. 2017). Und zu Speisen mit höchstens fünf verschiedenen Zutaten. So behalte man den Überblick auf dem Teller (z. B. über Zutaten und Zusätze), und das Essen bekomme einem auch besser.

Infotexte:  Annette Sabersky