Laura Drzymalla Kolumne

Liebeserklärung an die Nacht

Alles sortiert sich neu, sobald die dunkle Abendsonne langsam den Boden berührt. Unsere Kolumnistin Laura Drzymalla hat 10 gute Argumente, die Nacht zu lieben.

10 Gründe, die Nacht zu lieben

Die Nacht – was macht sie nur mit uns? Wieso ist in der klaren, wunderbar riechenden Dunkelheit unser Leben so spürbar anders? Alles sortiert sie neu. Leise Stimmen in uns werden laut und gleichzeitig fallen schwere Dinge wie Ziegelsteine von der Seele. Die Nacht bietet Schutz, umhüllt wie eine flauschige Decke und umarmt mit ihrer Weichheit. Sie schafft es, Ängste zu schüren und sie gleichzeitig zu lösen. Nachts philosophieren wir von unseren Sehnsüchten, Hoffnungen und dem, was in uns steckt. Hier sind meine 10 Gründe, die Nacht zu lieben:

1 FREIHEIT

Vielleicht liegt es an der Dunkelheit, vielleicht an der Abwesenheit von Verantwortung. Wenn alle Aufgaben des Tages erledigt sind, dann verstreut sich der Alltagsdruck wie in einem geschüttelten Kaleidoskop vor unsere Füße. Und wir können jung und wild darüberhüpfen, denn nachts ist UNSERE Zeit. Keiner diktiert, was zu tun ist. Wir können die Zeit nutzen oder einfach vergeuden, sie verschenken oder aussitzen. Es obliegt alleine uns, wir können uns mächtig fühlen. Ein wunderbares Gefühl.

2 TANZ

 

Egal, ob wir uns nur wiegen zu den Klängen der Musik, mit den Beinen stampfen oder mit den Händen in der Luft wirbeln – im Dunklen können wir loslassen. Sind anonym. Wir können unseren Körper fühlen, ihn fordern und auspowern. Wenn wir tanzen, schüttet das Gehirn das Glückshormon Serotonin aus, Stress löst sich und Anspannung fällt ab. Am Morgen einer durchtanzten Nacht sind wir zwar fix und fertig, aber begleitet von diesem wohligen Gefühl der Zufriedenheit.

3 MUT

Nachts ist alles etwas verschoben – auch die eigene Wahrnehmung. Wir denken über das Leben nach, werden zu Daunenfedern-Philosophen und spüren unsere Bauchgefühle stärker als tags. Entscheidungen fühlen sich klarer und sicherer an, wir sind entschlossener, zu handeln, und trauen uns vielleicht doch, diese eine Nachricht abzuschicken, die seit drei Tagen fertig formuliert im Handy wartet.

4 RAUSCH

Oh, wie lieben wir dieses Gefühl – dieses Sich-Verlieren im Moment der Nacht. Wenn wir keinen Gedanken mehr festhalten können, der Kopf mit Körper und Herz in Einklang ist und wir im Glück taumeln. Und auch wenn wir mit nur drei Rotwein intus beseelt von den großen Dingen blubbern – der Weg durch den geistigen Irrgarten inspiriert. Rausch ist unser Kopfparadies, unser mentales High Five für die Seele.

Illustration: Christina Gransow

5 SEX

Kerzenschein, Mondlicht, Nachttischleuchte, egal. Sex in der Nacht ist nicht der gleiche wie der am Tag. Nachts finden wir unsere ausgewählten Menschen schöner, wir sind offener und ungehemmter als bei Tageslicht. Trauen uns, mehr aus uns herauszukommen und Dinge auszuprobieren, die sich am Tag merkwürdig oder fremd anfühlen.

6 MELATONIN

Ein wunderbares Hormon, das vom Zwischenhirn aus Serotonin produziert wird und den Tag-Nacht-Rhythmus des menschlichen Körpers steuert. Bei Dunkelheit steigt die Produktion an. Und jetzt das Interessante: Melatonin bremst die Zellalterung, hab ich gelesen. Erhöhen wir also des Nachts unseren Melatonin-Spiegel, können wir damit den Körper länger jung halten? Das wär ja genial!

7 STILLE

Leuchtende Straßen, blinkende Lichter und absolute Stille. Wahrscheinlich zum ersten Mal am Tag totale Ruhe – jedenfalls da, wo ich wohne. Aber solche Orte kann man ja auch aufsuchen. Kein Lärm, keine Menschenmengen, freie Wege, die wir im eigenen Tempo gehen können. Nur die eigenen Schritte hören oder unseren Herzschlag. Und dann einfach einmal in die Stille reinbrüllen – fühlt sich verdammt geil an!

8 DER MOND

Das Sonnenlicht schwindet, Blau wird zu Schwarz. Und das Schwarz wird erleuchtet vom Mondschein. Wir alle haben schon den Vollmond angestarrt, gehorcht, ob wir die Werwölfe hören, und uns in der absoluten Nostalgie verloren. Lieber Mond, danke dafür.

9 BESTE GESCHICHTEN

Wenn ihr an die besten Erlebnisse mit euren Freunden denkt, dann werdet ihr feststellen, dass die meisten davon in der Nacht passiert sind. Der Einbruch ins Freibad, das stundenlange Gespräch unterm Sternenhimmel auf dem Balkon oder das Marshmallows-Grillen am Lagerfeuer – was wären wir ohne die Nacht, die uns die schönen Geschichten schenkt?

10 SCHLAF

Am dankbarsten aber sind wir dir, lieber Schlaf. Ohne dich sind wir mies gelaunt, unausgeglichen und nicht wir selbst. Du schenkst uns Gemütlichkeit, Träume und Flauschigkeit. Die Nacht nimmt uns an die Hand und führt uns im Schlaf in eine andere Welt – und Parallelwelten gefallen uns doch am besten.

Kolumnistin LAURA DRZYMALLA

… ist gelernte Buchhändlerin und hat als Autorin u. a für das Onlinemagazin „ZeitJung“ (zeitjung.de) und die „Badische Zeitung“ geschrieben. „Worte sind mein liebstes Spielzeug, schon seit ich denken kann“, sagt sie. Sie lebt heute in Hamburg und arbeitet für ein nachhaltiges Shoppingportal, das sich mit Eco Fashion & Green Lifestyle befasst.

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Kolumnistin LAURA DRZYMALLA