Traditionelle Methoden in Land- und Forstwirtschaft

Auf die gute alte Art

Traditionelle Methoden in Land- und Forstwirtschaft und bei der Herstellung von Lebensmitteln sind wieder im Kommen – und die Brücke in eine nachhaltige Zukunft.

Frau, die Teig knetet
Foto: Getty Images

Plötzlich sind sie wieder da – Methoden, Rezepte und das Wissen von einst feiern ein Comeback. Was vor nicht allzu langer Zeit noch als hoffnungslos altmodisch galt oder gänzlich in Vergessenheit geraten war, hat wieder Konjunktur. Bäcker gönnen ihren Broten lange Gehzeiten, arbeiten mit geführtem Sauerteig und verarbeiten Mehle aus alten Getreidesorten wie Emmer. Metzger wenden das uralte Verfahren der Trockenreife an – „Dry Aged“ klingt hip und modern, in Wirklichkeit wussten schon unsere Vorfahren, dass kontrolliertes Abhängen-Lassen eine der besten Arten ist, rohes Fleisch zu veredeln. Unabhängige „Craft Beer“-Brauereien erfinden ständig neue, handwerklich gebraute Sorten – und hauchen damit jener Tradition der vielen kleinen Lokalbiere neues Leben ein, die für Deutschland einmal so typisch war. Annähernd 900 solcher Mikrobrauereien gibt es derzeit, Tendenz steigend.

Bierbrauer
Craft-Biere kleiner Brauereien stärken die Regionalität und die Vielfalt der Geschmäcker | Foto: Stocksy

Das Revival kleiner Dorfläden

Sogar der Tante-Emma-Laden ist wieder im Kommen. Vor allem auf dem Land gibt es ein Revival kleiner Dorfläden, deren schmaleres Sortiment durch das persönlichere Einkaufserlebnis und die kurzen Wege wettgemacht wird. Mit seinen „Lädchen“ fördert tegut… seit 2010 diese Renaissance: 28 kleine Märkte mit regionalen Lebensmitteln laden derzeit zum Kauf – Nachbarschwätzchen inklusive (mehr Infos und eine Übersicht finden Sie auf tegut.com unter „Lädchen“). Bestens zu dieser Rückbesinnung passen auch die Bemühungen, Verpackungsmüll zu vermeiden: In eini­gen großen tegut… Filialen können Kunden unverpackte Haferflocken, Nudeln, Hülsenfrüchte oder Gummibären in kompostierbare Papiertüten oder mitgebrachte Behälter füllen, ganz so, wie es früher normal war (mehr unter „ver­packungsfrei“ auf tegut.com).

Alte Methoden in der Landwirtschaft

Auch Landwirte besinnen sich auf Anbaumethoden, die sich über Generationen hinweg bewährt haben, als es noch keine Spritzmittel und keine synthetischen Dünger gab: auf mechanische Unkrautbekämpfung etwa, Mischkulturen und erweiterte Fruchtfolgen. Auf Blühstreifen und Hecken zwischen den Feldern, die Windschutz bieten und Zuflucht für bedrohte Insekten und Tiere wie Hasen und Feldhamster. Auch im Rahmen der essbaren Städte wird für diese Tiere ein neuer Zufluchtsort geschaffen. Bauer Ernst-Heinrich Brede zum Beispiel bewirtschaftet einen konventionellen Hof nahe Fritzlar in Hessen.

Bis zu sechs verschiedene Feldfrüchte wechseln sich auf seinen Äckern ab – das hält den Boden von ganz alleine fruchtbar und erhöht seinen Humusgehalt. Außerdem reduziert die Fruchtfolge Schädlinge, Pilzerkrankungen und Unkräuter – der Bredenhof hat so den chemischen Pflanzenschutz auf seinem Boden halbiert. Zu Bredes Feldfrüchten gehört auch die gute alte Erbse, die hierzulande völlig zu Unrecht aus der Mode gekommen ist: Sie liefert Stickstoffdünger für den Boden und ist eine wertvolle heimische Eiweißquelle. Brede mischt sie ins Futter für seine Schweine und ersetzt damit die Hälfte des importierten Sojaschrots.

Glückliche Schweine auf dem Bredenhof
Glückliche Schweine bei Bauer Ernst-Heinrich Brede in Hessen | Foto: Bredenhof

Schweinezucht auf dem Bredenhof

Auf dem Bredenhof leben die Schweine ohnehin so wie in guten alten Zeiten: in Ställen mit Einstreu aus Stroh, mit viel Platz und mit Auslauf im Freien das ganze Jahr über. Weil sie aktiver sind, nehmen sie nur langsam zu – für den Geschmack ein großes Plus, das Fleisch ist fest und aromatisch. Zwei Drittel davon verarbeiten Brede und sein Sohn Frederik, der Metzger ist, direkt auf dem Hof. Ehrensache, dass sie mit Wurst, Mett und Schinken ebenfalls traditionell arbeiten: keine Geschmacksverstärker, dafür frisch gemahlene Gewürze und lange Reifezeiten. Gutes Handwerk eben. Ganz wie früher. Und siehe da, diese Art des Landwirtschaftens, die je nach Perspektive auch mühsam oder rückständig erscheint, erweist sich bei näherem Hinsehen sogar als wirtschaftlich vorteilhaft, wie Forscher der Universität Göttingen in einer Metastudie zeigen konnten: Maßnahmen wie die naturnahe Bewirtschaftung von Bauer Brede sparen Spritzmittel und damit Kosten. Mehr Vielfalt auf den Äckern sorgt außerdem langfristig für sichere Erträge, selbst wenn diese nicht ganz so üppig ausfallen.

„Wir nutzen wieder natürliche Kreisläufe.“

Den Bio-Obstbauern Martin Geng muss niemand mehr überzeugen. Ein Spaziergang über seine 17 Hektar Streuobstwiesen am Rande des Schwarzwalds liefert den lebendigen Beweis, dass Wirtschaften im Einklang mit der Natur bestens funktioniert: Auf über dreitausend großkronigen Bäumen wachsen 300 verschiedene Sorten Äpfel, 120 Birnen- und mehr als 40 Pflaumen- und Zwetschgensorten, meistens alte, besonders geschmacksintensive. Und das ganz ohne Herbizide und Dünger. Solche traditionellen Streuobstwiesen gehören zu den artenreichsten Biotopen in Mitteleuropa. 2019 wurde das „Obstparadies Staufen“ daher mit dem Bundespreis Ökologischer Landbau ausgezeichnet – das ist so etwas wie der Oscar der Biobranche.

Obstwiese
Foto: Adobe Stock
„Wir machen uns die natürlichen Kreisläufe zunutze und greifen so wenig wie möglich ein“, sagt Geng. „Im Grunde arbeiten wir so, wie man es vor 60, 70 Jahren getan hat.“ Die Früchte werden erst geerntet, wenn sie wirklich reif sind, und da­nach im eigenen Hofladen verkauft, zu Auf­strichen oder sortenreinen Säften, alkohol­freiem „Paradies-Prickler“ und Essigen verarbeitet (obstparadies-staufen.de). „Unsere Packpresse mag ja altmodisch sein, holt aber aus den letzten Schalenresten noch was raus“, erklärt Geng. „Dadurch wird der Saft noch schmackhafter und aromatischer.“

Naturnaher Wald gegen den Klimawandel

Dass es Bäumen besser geht, wenn sie nicht in Monokulturen wachsen, gilt auch für die Forstwirtschaft. Mehr noch: Naturnaher Wald ist ein wirksames Rezept gegen die Folgen des Klimawandels. Seine Renaissance ist kein Luxus, sondern Notwendigkeit. Mit diesem Ziel betreut zum Beispiel Dietrich Mehl, Oberförster in Brandenburg, rund 22.000 Hektar Laubmischwald: Uralte Bäume dürfen hier ungestört noch älter werden – bis sie absterben.

Dann bieten sie Lebensraum und Nahrung für Insekten, Pilze und Flechten, während in ihren Höhlen Eulen und Spechte Zuflucht finden. Im Gegensatz zu den weit verbreiteten „Stangenwäldern“ aus Fichten oder Kiefern sind solche Mischwälder gut gegen Trockenheit gewappnet und darum widerstandsfähiger gegen Schädlinge wie den Borkenkäfer. Mehr als zehn Prozent der Fläche lässt Mehl unbewirtschaftet und versöhnt auf diese Weise Ökonomie und Ökologie. Für sein Engagement wurde er bereits von Umweltverbänden ausgezeichnet (mehr auf nabu.de, „dietrich mehl“).

Auf die gute alte Art – oft steckt dahinter ein deutliches Mehr an Mühe und Zeit. Das merkt jeder, der schon einmal selber Brot gebacken, Marmelade gekocht oder Obst eingeweckt hat. Trotzdem fühlt es sich nie nach verlorener Zeit an. Vielleicht weil es den Dingen ihren Wert zurückgibt? Und uns den Genuss? Aber auch, weil es uns auf magische Weise – über die Distanz von Jahrzehnten und Jahrhunderten hinweg – mit dem Erfahrungsschatz und dem Herzblut von Menschen verbindet, die lange vor uns gelebt haben.

Der langsame Genuss ist zurück

1986 im italienischen Piemont gegründet, hat sich die Organisation „Slow Food“ der Förderung von handwerklich erzeugten Lebensmitteln verschrieben, den regionalen Zutaten, traditionellen Methoden – und dem Qualitätsfaktor Zeit. International ist der Verein in 170 Ländern mit Pro­jekten, Kampagnen und Veranstaltungen aktiv. slowfood.de

Das Comeback des Filterkaffees

Filterkaffee Handbrüher

Nach all den „Soja Latte Macchiato“ und „Flavoured Caffè Mochas“, für die der Barista eine gefühlte halbe Stunde braucht, erlebt jetzt der gute alte Filterkaffee seine Renaissance.
Das geht am besten so:
– Permanentfilter aus Edelstahl minimieren Papierabfall (zum Beispiel der schicke „Pour Over“ von bodum.com, siehe Foto)
– Pro Liter Wasser rechnet man 60 g Kaffeepulver – aber die Stärke ist Geschmackssache …
– Das Wasser sollte weich sein und zwischen 92 und 96 Grad heiß. Kochendes macht den Kaffee bitter, kälteres sauer.
– Die frisch und mittelfein gemahlenen Bohnen kurz angießen, sodass sie quellen.
– Dann mit kontinuierlichen kreisenden Bewegungen langsam aufgießen.

Das Comeback des Einmachens

Marmelade oder Konfitüre, Chutney und fermentiertes Gemüse, Ketchup oder Relish – Einmachen ist ein großes sinnliches Vergnügen. Im Jahr 1895 erwarb ein gewisser Johann Carl Weck ein Patent für seine Art, Lebensmittel in Gläsern mit Gummiring und Glasdeckel einzukochen – der Nachwelt als Einwecken bekannt (weckglaeser.com). Zahlreiche Rezepte finden Sie auf tegut.com/rezepte. Einen hervorragenden Überblick über alle Methoden und viele Rezepte liefert der Wälzer „Speisekammer“ (336 Seiten, hoelker-verlag.de). Adressen von Mostereien, bei denen Sie das Obst Ihrer Gartenbäume zu Saft machen lassen können, finden Sie auf nabu.de, „Saft aus eigenem Obst“.

Von Ruth Hoffmann