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Wie kann ich mich trotz Unverträglichkeiten gut ernähren?

Hintergründe und der richtigen Umgang mit dem Thema Lebensmittelunverträglichkeiten im Alltag

Dr. Ulrich Kraft von Fulda

Der Fuldaer Kinderarzt und Ernährungsmediziner Dr. Ulrich Kraft spricht in den folgenden Abschnitten über Hintergründe und den richtigen Umgang mit dem Thema Lebensmittelunverträglichkeit im Alltag.

Herr Dr. Kraft, sollte man bereits bei gelegentlichen Bauchschmerzen zum Arzt gehen und sich auf Unverträglichkeiten testen lassen?

Dr. Ulrich Kraft: Sinnvoll ist der Arztbesuch bei heftigen Bauchschmerzen, die plötzlich ohne Erklärung beginnen, bei starker Beeinträchtigung des Wohlbefindens und wenn Hausmittel nicht mehr ausreichend helfen. Sollten die Schmerzen wiederholt auftreten, ist es sinnvoll, den Verlauf zu beobachten: Treten die Schmerzen zu bestimmten Tageszeiten und in bestimmten Situationen auf? Gibt es einen Zusammenhang mit der Aufnahme von Milch, Getreide oder anderen Nahrungsmitteln? Wie sind die zeitlichen Zusammenhänge? Wie verlaufen die Beschwerden und lässt sich der Schmerz lokalisieren?

Kann bei Kindern eine Laktose-Unverträglichkeit auch im Lauf ihres Heranwachsens wieder verschwinden?

Gelegentlich entsteht nach einer Magen-Darm-Grippe eine vorübergehende Laktose-Unverträglichkeit, die wieder ausheilen kann. In der Regel aber bildet sich die Laktose-Intoleranz nicht zurück und bleibt lebenslang bestehen. Heilversprechen sind hier sinnlos.

Warum kann es auch Erwachsenen passieren, Laktose nicht zu vertragen?

Bis auf wenige Ausnahmen vertragen fast alle Babys und Kleinkinder Milch und Milchzucker. Mit zunehmendem Alter verlieren etwa 20 Prozent der Deutschen die Fähigkeit, Milchzucker zu verstoffwechseln. Eigentlich ist Laktose-Intoleranz keine Krankheit, da erwachsene Menschen keine Milch benötigen. Milch ist ein hochwertiges Nahrungsmittel, aber aufgrund der Evolution ist sie nur für Babys wichtig. Der hohe Milchkonsum hat erst nach 1945 bei uns angefangen. 80 Prozent der Erdbevölkerung trinken nicht regelmäßig Milch – dies ist nur in den Industrieländern der Fall. Hier liegt der Anteil von Milch und Milchprodukten bei bis 25 Prozent der gesamten Nahrungsenergie pro Kopf und Tag – und das meist in Form denaturierter Milchprodukte.

Wie kann ich mich trotz Unverträglichkeiten gegen Milch, glutenhaltige Getreide, Nüsse und dergleichen gut ernähren?

Direktvermarkter, Supermärkte und der Internethandel haben sich in den letzten Jahren auf diese Personengruppen eingestellt und bieten eine immer größer werdende Produktpalette an. Damit können alle wichtigen Nährstoffe abgedeckt werden. Diese verhalten sich nämlich wie eine Kette, alle werden benötigt, aber das schwächste oder sogar fehlende Glied lässt die Kette reißen. Jeder Mangel führt langfristig zu Gesundheitsschäden und Krankheiten. Wichtig ist daher die Abwechslung der Nahrungsmittel. Nicht einseitig essen. Beilagen, Obst und Gemüse sollten ständig wechseln. Vor allem am Anfang nach Diagnosestellung ist das Einkaufen und Kochen sehr schwierig.

Wo kann ich mich noch informieren?

Ernährungsmediziner und -berater, Internetforen und Apps (zum Beispiel „Gluten Check“) geben den Betroffenen gute Hilfestellungen. Einfach ist es trotzdem nicht. Auswärts zu essen, bei Freunden, in der Kantine oder im Restaurant, ist besonders kompliziert. Man stößt ständig auf Unwissen und Verständnislosigkeit und muss Aufklärungsarbeit leisten.

Was kann ich tun, um das Risiko, an Allergien zu erkranken, zu minimieren?

Die Antwort ist sehr einfach: hochwertige und möglichst naturbelassene Lebensmittel verzehren, Fertignahrung so gut wie möglich meiden, regional und saisonal einkaufen und kochen, viel trinken, Genussmittel einschränken. Sport und körperliche Aktivität wirken ebenfalls vorbeugend. In den letzten 50 Jahren hat sich unsere Nahrung komplett verändert. Unser Stoffwechsel ist aber seit Jahrtausenden auf körperliche Arbeit und einfache Kost programmiert und kann diesem schnellen Wandel nicht so einfach folgen. Immer mehr Menschen stellen fest, dass ihnen die sogenannte Steinzeitdiät (Paläo-Diät*) am besten zu Gesundheit und Leistungsfähigkeit verhilft.

Was beinhaltet denn die Steinzeitdiät?

Es werden möglichst nur ursprüngliche Lebensmittel verzehrt, von denen sich auch die Menschen in der Steinzeit ernährt haben. Das sind beispielsweise Beeren, Wildfleisch, Fisch, Pilze, Gemüse, Obst, Nüsse, Honig und Kräuter. Die Theorie, auf der die Paläo-Diät aufbaut, geht davon aus, dass sich der Stoffwechsel des Menschen in den letzten 20 000 Jahren unwesentlich verändert hat, während sich Nahrungsmittel und Essgewohnheiten massiv gewandelt haben. Hierin sehen Wissenschaftler eine entscheidende Ursache für das hohe Maß an Lebensmittel-Unverträglichkeiten.

Genau dies und das sollte gegessen und getrunken werden – muss ich heute nicht aufpassen, den Kindern einen zu verkopften Ernährungsstil vorzuleben?

Eine ausgewogene Ernährung mit einer Vielzahl gesunder Lebensmittel benötigt keinen Plan. Wichtig ist letztendlich die Qualität der Nahrung. Eltern sind auch beim Essen die Vorbilder ihrer Kinder. Also vorbildlich sein und ausgewogen essen. Kinder essen irgendwann auch Gemüse, wenn es die Eltern vorleben. Verweigert der Vater beispielsweise Salat, so ist das für die Kinder ein Zeichen dafür, dass Salat nicht gut ist und verweigern diesen ebenfalls. Ausdiskutieren und überreden hilft nicht wirklich weiter. Pädagogisch ist dieser Kampf dann schon verloren. Kinder benötigen normales gesundes Essen. Dass da auch mal Junk-Food und Süßigkeiten dazu gehören, ist in Ordnung, sollte aber die Ausnahme bleiben. Diese Nahrungsmittel sollten aus pädagogischen Gründen auch nicht Belohnungen darstellen.

Mit Dr. Ulrich Kraft sprach Gisela Burger,
freie Journalistin und Autorin, Würzburg.

von Online-Redaktion