Lupinen als Fleischersatz

Im Land, wo die Würstchen blühen

Aus den Lupinen, die auf den Feldern mitten in der Pfalz wachsen, werden in der Firma Purvegan vegane Filets, Geschnetzeltes und Bratwürstchen. Das heimische Gewächs ist reich an Eiweiß, gut zum Boden – und könnte so zum neuen Star in einer fleischlosen Welt werden.

Doppelt für die Zukunft gewappner sehen sich Landwirt Markus Reisle (l.) und Purvegan-Geschäftsführer Hermann Krämer (r.): Ihre Lupinen trotzden dem Klimawandel und liefern jede Menge Protein für den veganen Wachstumsmarkt | Foto: Jessica Schäfer

Ein grüner Teppich breitet sich bis zum Horizont aus, und sein Muster aus Millionen Blüten leuchtet weiß unter dem blauen Hochsommerhimmel. Fächer aus jeweils sechs spitzen Blättern bilden die Pflanzen, die ihre Blüten nach oben treiben. Kniehoch sind sie jetzt schon. Aus den Blüten entstehen die Hülsen, welche die proteinreichen Samen enthalten. Die Lupine, Schwester von Erbse, Bohne oder Soja, ist der neue Star in der Familie der Hülsenfrüchte. Denn hier, mitten in der Pfalz, ist das Land, wo die Bratwürstchen blühen.

Fleischalternative aus Lupinen

Da die Kerne einen hohen Eiweißgehalt von 30 Prozent mitbringen, können sie zu veganen Nahrungsmitteln verarbeitet werden, die als nachhaltige Alternativen zum Fleisch immer begehrter werden. Auf diesem Markt der pflanzlichen Schnitzel, Würste oder Burger waren bisher Tofu aus Sojabohnen und Seitan aus Weizenprotein die Herrscher. Das ändert sich gerade. Dazu trägt auch das mittelständische Unternehmen Purvegan bei, das ganz in der Nähe im Ort Ramsen zwischen Kaiserslautern und Worms mit 25 Mitarbeitenden Lupinenkerne verarbeitet, schon rund 40 Tonnen jedes Jahr.

Hermann Krämer, einer der beiden Geschäftsführer, sagt: „Wir sind in Deutschland das erste und einzige Unternehmen, das aus Lupinen Fleischalternativen herstellt.“ Ein bisschen Start-up-Spirit ist in den Produktionshallen denn auch zu spüren, wo viel Handarbeit geleistet wird, eher „Manufaktur“, sagt Hermann Krämer, als industrielle Massenfertigung.

Gleich hinter dem Lagerraum, wo sich acht Bigpacks mit den weißgelben Lupinenkernen drängen, duftet es würzig. Kümmel, Kurkuma und Koriander, Paprika, Chili und Piment machen, zusammen mit Gemüsebrühe, die Bio-Mischungen aus, die den Lupinen Geschmack beibringen. In großen Bottichen werden die Kerne über Nacht kalt eingeweicht, danach in Sudkesseln dreieinhalb Stunden gekocht und schließlich zu einer festen Paste verarbeitet.

Sie gibt den Grundstoff her – für viele Lupinenprodukte wie veganes Filet, Geschnetzeltes Lupinenkaffee, Lupinenmehl oder Gyros. Bratwürstchen werden es zum Beispiel für die Eigenmarke tegut... Bio vegan. Dafür wird die Lupinenmasse für die bessere Bindung mit ein wenig Seitan vermischt und in einem durchsichtigen Kunstdarm aus recycelbarer Zellulose in Form gepresst.

Dann wartet eine Art Rasierklinge: Das scharfe Messerchen sitzt in einer kleinen Maschine, zu der sich die Würstchen in langen Ketten heranschlängeln, um Stück für Stück aufgeschlitzt und von der Kunsthaut befreit zu werden. Hüllenlos werden sie zum Schluss in ihre Verpackungen sortiert, auch das in Handarbeit, Bratwürstchen für Bratwürstchen.

Mit dieser Produktionsweise will sich Purvegan von großen Mitbewerbern abheben. „Lupinen einweichen und kochen – das würden industrielle Vegan-Hersteller nie machen“, sagt Hermann Krämer, „die brauchen alles als Proteinextrakt und in Pulverform.“ Und während er das sagt, ist ihm der Stolz anzusehen auf seine eigenen Produkte: „Wir wollen hier kein Mehl herstellen. Bei uns wird das gesamte Samenkorn inklusive der Ballaststoffe komplett verarbeitet. Das ist eine Herzenssache, die gewachsen ist.“

Für den Klimawandel gerüstet

Die Lupinen bezieht Purvegan von zwei Landwirten aus der Nachbarschaft. Einer von ihnen ist der Agrarwissenschaftler und Landwirt Markus Reisle, 28, vom Gerbachhof im Dorf Bolanden-Weierhof, in den er zusammen mit seiner Lebensgefährtin eingestiegen ist. Bereits rund zehn der insgesamt 75 Hektar hat er mit Lupinen bepflanzt, die im April gesät und etwa Anfang September geerntet werden – ein innovatives Zukunftsprojekt. Markus Reisle sagt: „Damit sind wir für den Klimawandel gut gerüstet.“ Denn die Lupine ist zwar robust und bescheiden, liebt es aber warm. Heiße Sommer machen ihr nichts aus und während „das Getreide in der Hitze schnell zusammenbricht, macht die Lupine das ganz gut“.

Sojasauce aus Lupinen?

Und damit nicht genug. An den langen Wurzeln siedeln sich Knöllchenbakterien an, die den Boden mit viel Stickstoff anreichern, sodass Feldfrüchte in den Folgejahren kaum oder wenig Dünger brauchen: gut für Klima und Wasser und perfekt für den Gerbachhof, der ökologische Landwirtschaft nach den Richtlinien des Bioland-Verbandes betreibt.

Lupine als Tierfutter oder Gartenpflanze

Lange war die Lupine als Tierfutter oder Gartenpflanze bekannt. Ihre Bitterstoffe mussten ihr erst weggezüchtet werden, um sie als „Süßlupine“ genießbar zu machen. Sein Kurs, da ist Reisle überzeugt, ist zukunftsfest. Lebensmittel auf pflanzlicher Basis, sagt etwa die Ernährungswissenschaftlerin Hanni Rützler vom Frankfurter Zukunftsinstitut, seien umweltfreundlicher herzustellen als tierische Produkte. Und Fleisch wird künftig eher immer weniger gegessen.

Dafür boomt der Markt für vegane Erzeugnisse. Dabei sind Hermann Krämer, gelernter Koch und später Vertriebsexperte in der Lebensmittelbranche, und Co-Geschäftsführer Alexander Bauer, Dipl.-Betriebswirt, selbst keine strikten Veganer und von Dogmatikern, die mit „erhobenem Zeigefinger durch die Welt gehen“, halten sie nicht viel.

Anerkennung und Auszeichnungen für Purvegan

Bei allen engen Kontakten zu den Communities der Veganer müssen sie an eine größere Kundschaft denken. Auch an die, die mal kein Fleisch essen möchten, mal aber doch. Die Eigenwilligkeit von Purvegan hat ihnen viel Anerkennung eingebracht, Auszeichnungen, Zertifizierungen, das Gütesiegel für vegane Lebensmittel in Bio-Qualität, das Prädikat „Innovativ durch Forschung“ des Stifterverbandes gleich mehrfach. Denn Purvegan will nicht stehen bleiben, arbeitet mit der Fraunhofer-Gesellschaft Freising zusammen, hält Kontakt zu Universitäten und forscht an neuen Produkten. Einer Würzsauce aus Lupinen etwa, die vielleicht einmal die Sojasauce ersetzen kann, denn „für die gibt es in Europa so gut wie keine Hersteller“.

Auch Markus Reisle denkt weiter in die Zukunft. Nicht durch Expansion, sondern Ideen. Als einer der Ersten in Deutschland erprobt er den Anbau einer Pflanze, die sonst eher in den Wärmezonen der Erde angebaut wird und neuerdings als Superfood gefeiert wird: der Kichererbse.

Dann wird es vielleicht bald in der Pfalz bei Kaiserslautern das Land geben, in dem der Hummus blüht.

Vegane Bratwürstchen bei tegut...