Dürre in der Landwirtschaft

Gute Zeiten trotz Hitze und Dürre

Neue Züchtungen, Pflanzen aus dem globalen Süden, ökologisch wirtschaftende Betriebe als Vorbilder: Wie die Landwirtschaft sich auf zunehmende Klimaextreme vorbereitet.

Foto: Mareike Jäger/SilvoCultura GmbH

Wer ums Klima besorgt ist, der schaut aufs aktuelle Wetter, wie es in der Landwirtschaft seit eh und je getan wird. Im Winter und Frühjahr ‘23 gab es doch, jedenfalls gefühlt, endlich mal genug Regen? Aus Sicht von Expertinnen und Experten nicht. „Das war in etwa normal“, sagt Dr. Andreas Meyer-Aurich vom Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie in Potsdam. „Aber nicht genug, um den Wassermangel in den tieferen Schichten auszugleichen.“ Und wer den direkten Augenschein braucht, kann es in den Alpen sehen: kaum Niederschlag, zurückgehende Gletscher, historisch niedrige Pegel in Rhein, Po und Rhone.

Der Leibniz-Innovationshof in Groß Kreutz

Meyer-Aurich: „Schlimm, dass die Gletscher schwinden, aber da entsteht ein Teufelskreis: Das Eis zieht ja den Niederschlag an, also kommt noch weniger.“ In Bayern, das auch von den Alpenflüssen zehrt, ist der Grundwasserspiegel besonders stark abgefallen. Schon seit Jahren sind Forschende, aber auch Landwirtinnen und Landwirte auf der Suche nach Arten, Sorten und Techniken, die die Folgen von Hitze, Dürre, Trockenstress und Starkregen abfedern können. Zum Beispiel in Groß Kreutz bei Potsdam: Dort wird der „Leibniz-Innovationshof“ aufgebaut, der künftig umfangreiche neue Möglichkeiten für interdisziplinäre Forschung in einem laufenden, praktisch wirtschaftenden Betrieb bieten soll.

Er ist eines von zehn quer über Europa verteilten „Living Labs“. Klima-Farm-Beratende aus 28 Ländern vernetzen sich dabei im EU-Projekt „Climate Farm Demo“ mit Betroffenen. Eine High-Tech-Idee sind Drohnen, die beim Überflug Schäden erkennen können, um gezielt einzugreifen. Das Problem ist, ob solche Technologien verfügbar und akzeptiert sind. Das gehört zu unseren Zielen, erklärt Meyer-Aurich.

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Züchtung neuer, robuster Sorten

Viele Start-ups haben womöglich gute Ideen, die zu selten in der Praxis ankommen. Der nächste Ansatz: gentechnikfreie Züchtungen von Sorten, die mit Trockenphasen und Dürreperioden besser umgehen können. Etwa die Idee, Eigenschaften des tiefwurzelnden und robusten Roggens auf den weltweit viel beliebteren Weizen zu übertragen. Wobei schon die aktuellen Sorten erstaunlich resilient sind: „Es gab, je nach Sorte, in den letzten Jahren Ertragseinbußen mit 70 bis 80 Prozent vom Mittel“, weiß Meyer-Aurich. „Nach Anblick der Felder bin ich manchmal überrascht, wie viel noch herauskommt. Das zeigt, wie gut angepasst unsere Getreide schon auf Trockenheit im Sommer sind.“

Die handelnden Menschen haben ein Gespür dafür, was nötig ist. Dr. Andreas Meyer-Aurich

Quinoa & Co. im Kommen

Einen Schritt weiter geht die Ansiedlung von Pflanzen aus dem globalen Süden. Der Prozess hat längst begonnen, Hirse und Soja breiten sich allmählich aus. Sogar Quinoa – ursprünglich aus den Hochlagen der Anden – ist im Kommen. Sie ist anspruchslos, robust und als „Superfood“ bekannt geworden. In Frankreich scheint das „Pseudogetreide“ ein botanischer Ausdruck schon über den Rang einer exotischen Müslibeigabe hinausgekommen zu sein.

Neue Getreidearten berühren auch den schwierigsten Bereich der Anpassung: die Tierhaltung. Allen ist klar, dass zum Schutz von Klima und Wasserreserven weniger Fleisch und Milchprodukte konsumiert werden müssen. Doch Soja und Hirse werden überwiegend als Ergänzungsfutter zum Einsatz kommen.

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Weniger düngen bei gleichem Ertrag

Dieses Problem treibt auch die Menschen in den Laboren in Groß Kreutz um: Der Innovationshof stellt sich die Frage, wie man alle Aspekte der landwirtschaftlichen Erzeugung mit möglichst geschlossenen Kreisläufen nachhaltig gestalten kann. Dazu gehört, weniger und gezielter zu düngen: „Unsere Versuche zeigen, dass mit 10 oder 20 Prozent weniger Düngung kaum geringere Erträge erzielt werden, berichtet Meyer-Aurich, im besten Fall bleiben sie sogar gleich.

Der Bio-Sektor gibt auch hier die Richtung vor. Gerade ökologisch wirtschaftende Betriebe haben die Motivation und Lösungen, die zur Stabilisierung der Erzeugung beitragen, urteilt Prof. Dr. Wilfried Hierold vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung in Müncheberg.

Das Institut forscht im Konsortium BonaRes (Boden als nachhaltige Ressource) zu nachhaltigen Formen der Bodennutzung. Eine viel beachtete Idee nennt sich Agroforst: Nutzflächen wechseln mit Bauminseln, die das Feld beschatten und gegen Winderosion schützen. Zudem gibt es mehr Artenvielfalt. Verdunstung trägt zur Austrocknung unserer Böden bei, sagt Hierold. Mit Beschattung durch Pflanzen, Bedeckung durch Mulch und Bodenbearbeitung lassen sich die Wasserverluste minimieren.

Noch mehr Lösungsvorschläge

Auch das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) hat die Landwirtschaft im Blick. Nach Beginn des Krieges gegen die Ukraine initiierten die PIK-Fachleute eine Erklärung von mehr als 660 Frauen und Männern aus der Wissenschaft zur Krise. Die Kernpunkte:

  • Schnelle Umstellung auf eine gesündere Ernährung mit weniger tierischen Erzeugnissen. Das verringert die fürs Futter benötigte Getreidemenge. 60 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche dienen der Futtererzeugung.
  • Steigerung der Produktion von Hülsenfrüchten. Denn Erbsen, Linsen und Bohnen sammeln den zum Wachstum benötigten Stickstoff selbst, sparen importierte Düngemittel und bringen Artenvielfalt auf den Acker.
  • Kampf gegen Lebensmittelverschwendung: Die Menge an vergeudetem Weizen in der EU entspricht etwa der Hälfte der Weizenexporte der Ukraine.

Professor Dr. Hermann Lotze- Campen, Abteilungsleiter Klimaresilienz“ beim PIK, erklärte dazu: Längerfristig bedrohen sowohl der Klimawandel als auch der Biodiversitätsverlust die Grundlagen der Lebensmittelerzeugung. Wenn nicht gegengesteuert wird, steht uns bei der Ernährungssicherheit später eine wesentlich größere und länger anhaltende Krise ins Haus. Am Willen der Landwirtinnen und Landwirte wird der Wandel sicher nicht scheitern. Andreas Meyer-Aurich: "Sie haben ein Gespür dafür, was nötig ist. Sie mussten schon immer mit Risiken umgehen."

Tipps für die heiße Zeit

Ein paar Vorschläge, um Pflanzen, Vögeln und Insekten zu helfen.

Hitzeresistente Pflanzen: Für Balkon (und Garten) bieten sich mediterrane Arten an: Königskerze, Iris, Eisenkraut, Fetthenne und viele mehr. Stauden sind top.

Vögel und Insekten: Kleine Tränken aufstellen. Täglich austauschen, damit sich Keime nicht vermehren.

Bienentränken: Sind etwas anspruchsvoller. Für die wichtigen Bestäuber müssen Steine, Stöckchen und am besten Moos als Landeplätze ins Wasser. Wichtig ist ein seichter Einstieg am Rand.

Rasen: Nicht immer mal etwas gießen, sondern wöchentlich intensiv wässern, damit das Gras tiefer wurzelt.

Regenwasser: In Tonnen und Zisternen auffangen.

Garten: Möglichst alle Flächen begrünen – Böden, Wände, Dächer. Umso mehr Verdunstung, Kühlung, Dürre und Sauerstoff gibt es. Wenig umgraben, weil natürlich geschichteter humusreicher Boden mehr Wasser speichert. Offene Flächen mit Mulch abdecken, um die Verdunstung zu reduzieren.

2022 erlebte Europa laut Klimaforschung den heißesten Sommer seiner Geschichte. Leute wie Dr. Andreas Meyer-Aurich vom Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie in Potsdam suchen nach Lösungen für die Landwirtschaft

Von Raimund Witkop