Die Thüringer Zwiebel ist scharf und zickig. Dass sie trotz beißender Konkurrenz zum Markterfolg wurde, ist einem ehemaligen Traktorfahrer zu verdanken.

Inhalt
- Bäuerliches Geschick für den Zwiebelanbau
- Humusreichen Lösslehmböden im Thüringer Becken
- Naturschauspiel Schlottenknick
- Herbslebener wirtschaften nachhaltig
- Hochwertiges Sortiment und regionale Vermarktung
- Der Anfang der Herbslebener Agrargesellschaft
- Zwiebeln aus Herbsleben bei tegut…
- Klicken Sie sich durch die Bilder aus der Herbslebener Agrargesellschaft
Bäuerliches Geschick für den Zwiebelanbau
Wenn Karl-Walter Hecht, 60, in der Lagerhalle niederkniet und sich ein Exemplar aus den meterhohen Zwiebelgebirgen greift, dann streicht er zärtlich mit seinen großen Händen über „die schöne Schulter“ der Zwiebel und lobt, dass „die Hormone den Hals fein zugemacht haben – das ist Qualität“. Der Vorstand der thüringischen Agrargesellschaft Herbsleben AG bemüht dann einen Vergleich, als müsse er seine Liebe zum Produkt begründen: „Landwirtschaft muss man leben. Wer Kartoffeln anbaut, der muss eben ein Kartoffelkäfer sein, und wer Zwiebeln pflanzt, eine Zwiebelfliege.“ Denn bäuerliches Geschick ist gerade beim Anbau der vermeintlich simplen Küchenzwiebel gefordert. Sie gedeiht nicht überall gleich gut und stellt zickige Ansprüche: Trocken hat sie es gerne, aber Wasser braucht sie auch genug, Wärme und viel Licht mag sie, aber bei über 30 Grad kriegt sie Sonnenbrand.
Landwirtschaft muss man leben.
Humusreichen Lösslehmböden im Thüringer Becken
Das Thüringer Becken rund um Erfurt und Jena im Regenschatten des Thüringer Waldes ist mit seinen humusreichen Lösslehmböden und knappen Niederschlägen für die Zwiebel gerade recht – wenn man sie ein wenig beregnet. Das kostet. Vier- bis fünfmal zusätzliches Wasser auf 110 Hektar brauchen die Zwiebeln jedes Jahr, bei der anhaltenden Dürre auch mehr, ein „selbstfahrender Spritzer“ mit Satellitensteuerung über GPS ist dann im Einsatz. Von den guten Böden profitieren besonders Spargel und Kartoffeln, die anderswo aus sandigen Böden weniger Aroma ziehen. Aber auch die scharfe Zwiebel entwickelt hier einen eigenen Charakter. Sie hat einen höheren Gehalt an ätherischen Ölen als eine Zwiebel, die aus einer feuchteren Gegend kommt. Das macht die besondere Würze aus, zudem eine lange Lagerfähigkeit.
Naturschauspiel Schlottenknick
Die Zwiebeln, im Frühjahr gesät oder gesteckt, wachsen in langen Reihen bis zur Abreife im August und September. Dann ist ein Naturschauspiel zu beobachten: der Schlottenknick. Die Schlotte, das hoch aus der Erde geschossene Zwiebellaub, fällt binnen Kurzem auf dem ganzen Feld akkurat zur Seite – Erntezeit. Die Zwiebeln werden „geschlagen“, danach legt sich das abgetrennte Laub in Linien zum sogenannten Schwad oder Geschwad, eine stille Polonaise voller Anmut, die Sorten heißen „Bonus“, „Medaillon“ oder „Paradiso“. Und „Temptation“ gar, die reine Versuchung im Geschwad. Hecht gerät ins Schwärmen: „Schauen Sie, wie dunkel die Temptation wird, die hat richtig Feuer, das wird eine schöne Ware.“
Herbslebener wirtschaften nachhaltig
Ein paar Tage liegen die Zwiebeln noch auf dem Feld zum ersten Abtrocknen, „da spare ich viel Energie“, sagt Hecht. Und auch in einer der vier Lagerhallen, in denen sich bis 3.000 Tonnen Zwiebeln zu Pyramiden türmen, wird nachhaltig gewirtschaftet: Bis die Zwiebelschalen zu schützenden, papierdünnen Häuten vertrocknen, liefert die Abwärme des benachbarten Kartoffelkühlhauses die richtige Temperatur. Bis 5.000 Tonnen Zwiebeln, 5.000 Tonnen Kartoffeln und 500 Tonnen Spargel produzieren die Herbslebener in der Regel jedes Jahr, dazu Saatgut für Weizen, Erbsen und Sommergerste. Die Fruchtfolge ist weit gestellt. Hecht: „Das ist uns wichtig. Damit brauche ich weniger an Pflanzenschutzmitteln.“
Hochwertiges Sortiment und regionale Vermarktung
Mit dieser Vielfalt hat Hecht das Unternehmen breit aufgestellt. Ständige Expansion ist nicht sein Ziel, ein hochwertiges Sortiment mit regional begrenzter Vermarktung schon. Mit den Zwiebeln muss die Agrargesellschaft gegen beißende Konkurrenz aus Dänemark und Holland bestehen – die Niederländer etwa erzeugen im Jahr bis 1,4 Millionen Tonnen Zwiebeln, verbrauchen jedoch nur 125.000, alles andere geht in den Export.
Ein ungewöhnlicher Wandel im Thüringer Becken. Früher standen hier, auf 94.00 Hektar Fläche, 5.000 Mastbullen und 2.000 Milchkühe, dazu Getreide und Futterwiesen, zusammengefügt zu einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG), dem viertgrößten Agrarbetrieb der DDR. Hecht fuhr dort Mähdrescher und Traktoren, sein Vater war der Betriebswirt der LPG. Ein Fernstudium der Agrarwirtschaft hatte Hecht hingeschmissen: „Die sollten mir mit dem Marxismus-Leninismus den Buckel runterrutschen. Damit hatte ich einen Stempel auf der Stirn und konnte nichts mehr werden.“
Wir sind Bauern, Lagerarbeiter, Aufbereiter, Verpacker …
Der Anfang der Herbslebener Agrargesellschaft
Dann kam die Wende. Hecht war 30 und hatte nichts. Er wollte in die Selbstständigkeit, an die Tradition der Familie anknüpfen, die bis 1960 einen Hof bewirtschaftet hatte. Ein unkonventionell denkender Banker half, die Herbslebener Agrargesellschaft entstand, tegut… gehörte zu den ersten Kunden. Das Tochterunternehmen Herbslebener Zwiebelvermarktung GmbH kam dazu. Schließlich war Hecht auch Mitgründer des Mitteldeutschen Zwiebelkontors, in dem sich 16 Erzeuger zusammengeschlossen haben und nun den größten Teil der Zwiebelproduktion der neuen Bundesländer vermarkten.
Zwiebeln aus Herbsleben bei tegut…
Würze und Lagerfähigkeit machen die Zwiebeln aus Thüringen so besonders. Sie werden von Mitte Juli bis Anfang Mai in den tegut… Märkten angeboten. Von der Agrargesellschaft Herbsleben bezieht tegut… zudem seit Jahren die tegut… Eigenmarken Kartoffeln (festkochend, vorwiegend festkochend, mehligkochend sowie Back- und Grillkartoffeln) und frischen Spargel in der entsprechenden Saison (Mai/Juni). Mehr unter tegut.com/herkunftscheck.
Klicken Sie sich durch die Bilder aus der Herbslebener Agrargesellschaft
Von Uly Foerster