Die Wirkung der Farbe Blau

Blau, die Farbe der Seele

Die Farbe Blau ist edel, beruhigend, seriös. Und steckt voller überraschender Geschichten.

Frau springt ins Wasser
Genug in den blau-weißen Fru?hlingshimmel geblinzelt. Ich bin dann mal weg! | Foto: Stocksy

Was ist Ihre Lieblingsfarbe? Das frische Grün? Das auftrumpfende Rot? Das sanfte Gelb? Die meisten Menschen in Deutschland – nun ja, die meisten auf der ganzen Welt – geben eine andere Antwort. Ihre Lieblingsfarbe ist Blau. Blau übt eine seltsame Faszination auf uns aus. Seine Wirkung auf unsere Seele ist in allen Kulturen gleich: Blau beruhigt, Blau ist seriös, erwachsen, zurechnungsfähig, gütig. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ein blauer Himmel überall eine feine Sache ist. Kein Unwetter droht, keine Gefahr. Und einen Regenschirm braucht man auch nicht.

Blau schafft Vertrauen. Es sagt: „Du wirst das Ziel deiner Reise gesund erreichen.“ Alle großen Airlines dieser Welt benutzen deshalb die Farbe Blau in ihrem Logo. Blau ist edel. Die „Blaue Mauritius“ wurde zur legendärsten Briefmarke der Welt. Ihre kaum weniger seltene und teure Schwester, die „Rote Mauritius“, kennen dagegen nur wenige. Auch der Frühling strahlt nicht einfach bunt. Das weiß bei uns jedes Kind aus dem Deutschunterricht und von Eduard Mörikes Zeilen:

„Frühling lässt sein blaues Band / Wieder flattern durch die Lüfte.“

Die Farbe Blau in verschiedenen Kulturen

Zugegeben: Blau ist nicht überall gleich. Manche Kulturen haben ihre eigenen Spleens um die Farbe entwickelt. Wenn Angelsachsen seufzend behaupten, sie seien „blue“ oder hätten den „Blues“, dann sind sie traurig, melancholisch, tränenvoll. Eine Gitarre zieht ihre Saiten auf einen klagenden Zwischenton, den die europäische Musik nicht kennt. Die „Blue Note“ ist das Markenzeichen der aus den USA kommenden Popmusik – und im Grunde ihr ganzes Geheimnis.

Auch bei uns ist noch ein Hauch davon zu spüren. Als Hans Albers in den Spelunken der Hamburger Reeperbahn sein „La Paloma“ zum Besten gab, da sang er davon, dass ihn die Sehnsucht forttrage „in die blaue Ferne“. Ansonsten sind wir Deutschen natürlich nicht unbedingt sehnsüchtig, wenn wir „blau“ sind. Wir sind betrunken. Die Bezeichnung stammt von den Stofffärbern. Diese brauchten große Mengen an alkoholhaltigem Urin, um ihren Indigo-Farbton zu erzeugen. Also stellten sie Bottiche neben die Seitentüren der örtlichen Gaststätten. Und die Zecher spendeten reichlich. Auch die Bezeichnung „blaumachen“ kommt aus dieser Zeit: Wer am kräftigsten beim Färben „geholfen“ hatte, fehlte am nächsten Tag bei der Arbeit.

Blau schafft Vertrauen – und ist daher der Favorit für Firmanlogos.

Als Deutschlands Fernsehmacher in der Nachkriegszeit eine Volksmusiksendung konzipierten, suchten sie verzweifelt nach einem Titel, der richtig passte. Ein Gasthausname sollte es sein. Gemütlichkeit sollte mitschwingen und natürlich auch ein leichter Schwips. Und so präsentierte Heinz Schenk bis in die 80er Jahre hinein seinen „Zum Blauen Bock“, in dem der hessische „Ebbelwoi“ in Strömen floss.

Blau in der Modewelt und bei Lebensmitteln

Blau dominiert auch die Modewelt. Das beliebteste Kleidungsstück ist die Bluejeans. Und ihre Farbe hat einiges zu ihrem Siegeszug beigetragen. Psychologen haben herausgefunden, dass sogar Supermärkte von blauem Design profitieren: Wir kaufen automatisch mehr, wenn die Inneneinrichtung mit Blautönen arbeitet. Das ist erstaunlich. Blau geht mit Lebensmitteln nicht gut zusammen. Wenn die Farbe in der Natur vorkommt, dann ist sie ein Hinweis auf Gift und Verderbnis.

Natürlich heißen Heidelbeeren auch „Blaubeeren“; natürlich kann man Rotkohl auch „Blaukraut“ nennen. Doch beide Bezeichnungen sind veraltet, und wenn man sich die Sache genauer ansieht, bemerkt man, dass die Beeren eigentlich violett sind und der Kohl rot auf unserem Teller landet. Kein Wunder, dass selbst bunte Gummibärchen-Mischungen nur in Ausnahmefällen mit der Farbe Blau arbeiten. Als eine US-Firma vor einigen Jahren blauen Ketchup auf den Markt bringen wollte, endete die Aktion in einem wirtschaftlichen Desaster. Die blaue Würzsoße lag in den Regalen wie Blei.

Die Farbe der Seele

Blau scheint nicht die Farbe des Körpers zu sein, sondern der Seele; sie gehört mehr zu Himmel und Ozean als in den irdischen Alltag. Dass das übelste Schreiben der Welt, die Kündigung, blau gestaltet wird, ist übrigens einer löblichen Absicht geschuldet. Vor 200 Jahren beschloss man, die Demütigung des Rauswurfs diskret zu gestalten – die Briefumschläge sollten absolut blickdicht sein. Man nähte sie aus stabilen blauen Uniformresten. Deshalb wird heute noch vom „Blauen Brief“ gesprochen, wenn jemand seinen Job verliert. Wird man traurig sein, wenn man so ein Schreiben im Briefkasten findet? Oder betrunken am folgenden Abend? Vermutlich. Aber seine Lieblingsfarbe wird man deshalb nicht ändern. Und falls doch, wird man die Entscheidung bald wieder zurücknehmen – spätestens beim nächsten Blick in den blauen Himmel.

Die Farbe gehört mehr zum Himmel und Ozean als in den irdischen Alltag.

Blau für die Ohren: Fünf Songs zu „Blau“, die (fast) jeder kennt:

  • „Von den blauen Bergen kommen wir“, Goldy und Peter de Vries (1949)
  • „It’s all over now, Baby Blue“, Bob Dylan (1965)
  • „Behind Blue Eyes“, The Who (1971)
  • „Blaue Augen“, Ideal (1980)
  • „Schwarz zu Blau“, Peter Fox (2009)

Ins Blaue Fahren

Picknick ins Blaue fahren
Foto: Stocksy

Picknick ist besser als Urlaub. Was man dafür braucht? Blauen Himmel, eine Wiese, Wasser, Äpfel und Möhren aus der Region. Bei der Luxusvariante sind eine Decke, ein Kräuterdip in der Tupperdose und gro.zügig belegte Sandwiches dabei. Bei den Getränken plant man pro Nase mit einem halben Liter Saft und einem Liter Wasser. Ist eigentlich zu viel, aber irgendwer kippt schließlich immer seinen Becher um. Super Rezepte für die Fahrt ins Blaue bietet Susanne Strassers Buch „Das perfekte Picknick“, Verlag Münchner Stadtmedien.

Nicht Blau sein

Der Frankfurter Markus Kern gehört zu den Top-Barkeepern der Welt. Sein Cocktail ohne Alkohol? Erdbeer-Melissen-Limonade! Dazu viertelt er fünf Erdbeeren und zerdrückt sie leicht mit einem Stößel im Glas. Darüber kommen Eiswürfel, acht große Melissenblätter, 2 cl Erdbeersirup, 2 cl Zitronensaft, 10 cl Soda. Kräftig rühren. Das Ganze wird mit einer Erdbeere und einem Melissenzweig garniert. Schmeckt fruchtig und herrlich frisch! Mehr über Markus Kern gibt es auf in-live-events.de

Kein Ende in Sicht! Blau, wohin das Auge schweift

Doch Blau sein

Jawohl, Alkohol macht betrunken. Doch blau ist nicht gleich blau, wie Forscher von der University of Missouri herausgefunden haben. 40 Prozent von uns gehören demnach zum sogenannten „Hemingway“-Typus: Unsere Persönlichkeit verändert sich durch den Alkohol kaum. 14 Prozent fallen in die Kategorie „Mary Poppins“, herzensgute Menschen sind das, die im Rauschzustand noch herzlicher werden. 22 Prozent verhalten sich nach dem Muster „Verrückter Professor“ – sobald der Alkohol wirkt, lassen sie die Sau raus. Der Rest gehört zur Gruppe „Mr. Hyde“: Ihre Persönlichkeit verändert sich im Rausch. Sie werden aggressiv oder weinerlich. Man erkennt sie nicht wieder. Am Ende kommt vielleicht die Polizei. Dabei ist „Mr. Hyde“ eine irreführende Bezeichnung. Denn zwei Drittel der besagten Gruppe sind Frauen.

Die Magie der blauen Stunde

Farbe Blau Magie Blaue Stunde
Foto: Stocksy

Gute Landschaftsfotografen arbeiten nur zwei Mal am Tag: kurz vor Sonnenauf- und kurz nach Sonnenuntergang. In dieser „blauen Stunde“ – die leider keine vollen 60 Minuten dauert – hat das natürliche Licht einen hohen Blau-Anteil und eine Weichheit, deren Magie jede App und jeden Filter weit übertrifft. Auch bei Porträts ist das Licht der blauen Stunde kaum zu schlagen. Wann beginnt die blaue Stunde? Wann endet sie? Das verrät der kostenlose Dämmerungsrechner auf der Seite jekophoto.de. Einfach auf „Tools“ klicken, danach auf „Dämmerungsrechner“, Ortsnamen eingeben, fertig.

Blau zum Gucken: Die fünf blauesten Gewässer in Europa

  • Die Maare (Eifel) sind runde Vulkanseen, in denen man baden kann.
  • Der Blautopf (Schwäbische Alb) ist eine blau leuchtende Karstquelle.
  • In der Blauen Grotte (Capri/Italien) schimmert das Meerwasser tiefblau.
  • Die Blaue Lagune (Island) ist ein Thermalfreibad bei der Hauptstadt Reykjavík.
  • Der Blue Lake (Fairbourne/Wales) liegt in einem alten Schiefersteinbruch.

Sich in Blau hüllen

Das Blaufärben war einst eine Kunst, auf die man sich nur in wenigen Städten verstand. In Frankreich kamen blaue Textilien aus Nîmes (frz. „de Nîmes“), weshalb man Jeansstoff noch heute als „Denim“ bezeichnet. In Deutschland taten sich die Färber im thüringischen Erfurt hervor. Dort kannte man eine Pflanze namens Färberwaid, aus der sich leuchtendes Indigo herstellen ließ. Brauchte man für die Biochemie im Färbebad anfänglich noch Urin, entwickelten die Erfurter Färber bald auch geruchsneutralere Fermentationstechniken. Heute kann man historische Färbemethoden wieder in Erfurt bestaunen – bei der aus Italien stammenden Restauratorin Rosanna Minelli. Ihr zauberhafter Laden für blau Gefärbtes und Bedrucktes trägt den passenden Namen: Erfurter Blau. erfurterblau.de

Blaue Blumen
Foto: Stocksy

Digital Blaumachen

Ihm gehört der letzte Blick am Abend und der erste am Morgen – 88 Mal Augenkontakt jeden Tag. Von ihm holen wir uns Rat, wenn wir den Weg nicht kennen. Mit ihm teilen wir unsere Pläne. Die Rede ist nicht von unserem Partner (schön wär’s!), sondern von unserem Smartphone. Doch wie würde das Leben ohne Handy aussehen? Wer’s zeitweise ausprobiert, erzählt von wunderbaren Erfahrungen: weniger Stress, besserer Schlaf, mehr Achtsamkeit. Die Website des Wissenschaftlers und Autors Alexander Markowetz (markowetz.de) ist ein Augenöffner für alle, die Inspirationen fürs „digitale Blaumachen“ suchen.

Sein blaues Wunder erleben

Der französische Maler Yves Klein (1928–62) sehnte sich nach dem Himmel. Nach Kunst am Blau sozusagen. Doch kein Farbton der Kunstwelt war ihm dafür leuchtend genug. Nach vielen Experimenten fand er schließlich die perfekte Kombi: Ultramarin als Pulver plus ein Bindemittel aus Kunstharz. Er ließ sich die Farbe patentieren und nannte sie IKB, „International Klein Blue“. Eines seiner berühmtesten Bilder, „Blaues Schwammrelief“, hängt heute im Frankfurter Städel Museum. Ein blaues Wunder, keine Frage. staedelmuseum.de

Blau zum Riechen: Die fünf blauen Düfte, die unsere Nase liebt:

Die Wirkung von Düften auf uns Menschen ist eine ganz besondere, denn oftmals sind mit bestimmten Düften Erinnerungen und Emotionen verknüpft:

  • Lavendel – riecht wie Omas frische Leinenwäsche,
  • Blauregen – süßlich, schwer und fast schon sündig,
  • frische Pflaumen – fruchtig, sonnig und wie Sommer
  • das Meer im Abendwind – salzig und verheißungsvoll,
  • Veilchen – süß und seltsam vertraut; der Markenduft des Frühlings.

 Von Jochen Metzger