Viele versäumen das kleine Glück, das Augenblicksglück, während sie auf das große warten. Dabei können wir es überall um uns herum finden, wir müssen nur hinschauen und genießen.

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Glück im Garten: Eichhörnchen Pucki
In meinem Garten wohnt ein Eichhörnchen. Ich rufe es Pucki, aber darauf hört es nicht. Pucki flitzt durch Eichen und Flieder, plündert gern mal das Vogelhäuschen, verbuddelt seine Funde im Rasen und schaut dann keck durch die Terrassentür in die Küche, als wollte es sagen: „Hallo? Wo bleibt der Nachschub?“ Egal, wie grau der Tag und wie mies meine Laune – wenn ich das Hörnchen beobachte, bin ich happy. Pucki ist mein Glücksbringer.
„Viele Menschen versäumen das kleine Glück, während sie auf das große vergebens warten“, sagte die Schriftstellerin Pearl S. Buck. Dabei sind sie überall um uns herum, diese Augenblicke, die uns mit Freude, Staunen und Dankbarkeit erfüllen oder für ein paar Sekunden gute Laune machen. Man muss nur hinsehen, neugierig bleiben, aufmerksam. Ich habe Freunde und Kollegen gebeten, mir ihre Glücksmomente zu nennen, eine kleine Sammlung finden Sie weiter unten.
Viele Menschen versäumen das kleine Glück, während sie auf das große vergebens warten.
Dinge, die mit Glück verbunden sind
Das große Glück, ja, das ist weit schwerer zu finden. Es wird häufig vermutet, dass es eng verbandelt sei mit Sicherheit und Gesundheit, mit Gemeinschaft und Lebenssinn und – in gewissem Maße – auch mit Wohlstand. Alles Dinge, auf die wir meist nur wenig Einfluss haben und die sich nicht mal eben schnell aktivieren lassen.
Wie man das Glück findet, ist seit Tausenden von Jahren Thema der Philosophen, Theologen und Dichter. Rund 50.000 Glücksratgeber offeriert der Händler Amazon – eine Zahl, die verrät, wie immens in unserer westlichen Gesellschaft der Druck zu sein scheint, immer glücklich, quasi in Dauereuphorie zu leben. Das kann eigentlich nur schiefgehen, denn selbst der Traumjob, der Lottogewinn, die neue Liebe sind irgendwann ja Normalität. Dieser Glücksdruck führt in schwierigen Zeiten – zum Beispiel im zurückliegenden Corona-Jahr – zu einem verblüffenden Paradox, wie die israelische Psychologin Shiri Lavy herausfand: „Jetzt ist es erlaubt, nicht so glücklich zu sein – und das macht einige von uns glücklicher!“
Wo das Wort Glück herkommt
Schon seit dem 12. Jahrhundert gibt es das Wort Glück in der deutschen Sprache, einst als (ge)lucke oder (ge)lücke. Es bedeutete: die Art, wie etwas gut ausgeht. Glück war also das Happy End und die dadurch ausgelöste Freude, akut oder auch mal lang anhaltend, wenn sich das Schicksal günstig wendete. Die englische Sprache unterscheidet zudem feinsinnig zwischen zufälligem Glück (luck) und nachhaltigem (happiness). Aber gehört nicht beides zusammen: Glück haben und sich glücklich fühlen? Eckart von Hirschhausen, Deutschlands humorigster Arzt, vermutet das auch in „Glück kommt selten allein“, seinem erfrischenden Antiratgeber. „Stellen Sie sich vor, Sie selbst wären das Glück. Würden Sie dann gern bei sich vorbeikommen?“, fragt er – um sich selbst zu antworten: „Glück kommt selten allein. Und wer glücklich ist, bleibt selten allein.“
Menschen als Glücksquellen
Der Volksmund weiß das schon lange: Wo Tauben sind, fliegen Tauben zu, heißt es. Wir sind also doch unseres Glückes Schmied, mindestens im Kleinen. Und das Augenblicksglück, wie meines mit Eichhorn Pucki, ist bestens geeignet, dem größeren Glück die Tür zu öffnen. Das Wiedersehen mit der Schwester, Yoga am Morgen, Vogelgezwitscher und Sonnenstrahlen: Diese Momente gehören zu denen, die Probanden in Studien häufig als ihre glücklichsten nennen.
(Apropos Sonne: Scheint sie, bewerten Menschen in Tests ihr gesamtes Leben positiver als bei Regen.) Und ebenfalls belegt ist: Die wichtigste Glücksquelle sind Momente mit anderen Menschen. In Japan existiert sogar ein eigener Begriff dafür, das „Zusammenglück“. „Uns Japanern geht es gut, wenn wir den Eindruck haben, dass es auch anderen um uns herum gut geht“, so die Psychologin Yukiko Uchida, "im Westen hingegen konzentriert man sich eher auf das Glück des Einzelnen." Mit anderen Worten: Weniger Ich, Ich, Ich und dafür mehr Wir macht glücklich. So einfach …
Essen und Genuss bedeuten Glück
Auch Essen und Genuss gehören ganz oben auf die Liste des Augenblicksglücks. Das liegt zum einen sicher an der Freude, gemeinsam zu speisen. Zum anderen aber an unserer Neurobiologie: Bestimmte Inhaltsstoffe, zum Beispiel aus Schokolade oder Vanille, Chili oder Banane, beeinflussen den Hirnstoffwechsel, es werden Botenstoffe ausgeschüttet, die dem Körper Happiness vermitteln. Doch die Euphorie, die Zuckerreiches auslöst, saust rasch wieder in den Keller, übrig bleiben Gereiztheit und Unzufriedenheit. Der Rat der Experten: Wer länger etwas vom Essensglück haben will, sollte lieber komplexen Kohlehydraten in Reis, Nudeln oder Kartoffeln den Vorzug geben.
Singen hellt Stimmung auf
Auch Singen ist ein Augenblicksglück erster Güte. Ob allein unter der Dusche oder im Chor – das Trällern aktiviert Neurotransmitter und Hormone und hellt (das ist längst wissenschaftlich erwiesen) die Stimmung auf, es baut Stress ab und stimuliert das Immunsystem. Und dann – keinesfalls zuletzt – ist es der Kontakt mit der Natur, der Glücksmomente produziert: kleine Begegnungen und Beobachtungen, die uns reicher machen. Viele haben das in zahllosen Corona-Spaziergängen entdeckt.
Überhaupt, Tiere! Die Forscher Johannes Odendaal und Rebecca Johnson untersuchten Paare aus Mensch und Hund: Nach nur zwanzig Minuten in demselben Raum stieg der Glückshormonspiegel an, während der Stresshormonspiegel sank, lustigerweise auch beim Hund. Man kann das alles auch kreativ kombinieren: Singen beim Spazierengehen, die Tafel Schokolade mit anderen teilen, durch die Natur streifen mit Hund. Augenblicksglück wartet überall – aber es ist für jeden etwas anderes. Also bleiben Sie neugierig und begeisterungsfähig, dann kommt es von allein vorbei. So wie Pucki an meiner Terrassentür.
„Glück entsteht oft durch Aufmerksamkeit in kleinen Dingen, Unglück oft durch Vernachlässigung kleiner Dinge.“
Wilhelm Busch
Tipps zum Thema Glück
- Von hohem Unterhaltungswert und doch präzise ist der Antiratgeber von Eckart von Hirschhausen, „Glück kommt selten allein“ (rowohlt.de).
- Überraschende Erkenntnisse zu Arbeit, Liebe, Kindern oder Geld fasst Martin Schröder zusammen in „Wann sind wir wirklich zufrieden?“ (C. Bertelsmann Verlag, randomhouse.de). Sie basieren auf einer Langzeitstudie mit über 600.000 Befragungen!
- Gina Schöler versteht sich als Ministerin für Glück und Wohlbefinden (ministeriumfuerglueck.de), in 222 Miniessays und „Anstiftungen“ bringt sie ihre Leser in „Das kleine Glück möchte abgeholt werden“ auf Ideen (campus.de).
- Wie man es garantiert vergeigt mit dem Glück, beschreibt urkomisch, aber verlässlich der Psychologe Paul Watzlawick (1921–2007) in seinem Bestseller „Anleitung zum Unglücklichsein“ (piper.de).
Unsere Sammlung von Glücksmomenten:
- Einen Regenbogen entdecken … und für ein paar Sekunden innehalten
- Kuchen backen und die Schüssel ausschlecken, mit den Fingern
- Einem Wildtier begegnen – und es läuft nicht weg
- Ein Ikea-Regal unfallfrei aufgebaut haben
- Einem Kleinkind bei seinen ersten Schritten zusehen
- Mit Kaffee und Zeitung den Sonntagmorgen vertrödeln
- Eine Sternschnuppe sehen und sich etwas wünschen
- Den ersten Krokus im Vorgarten entdecken
- Nach einer Reise wieder im eigenen Bett schlafen
- Die Bläschen in der Noppenfolie zerdrücken
- Ein Butterbrot mit den ersten frischen Kräutern vom Balkon essen
- Mit einem Hundewelpen spielen
- Freunde einladen und das Essen gelingt
- Den ersten Tulpenstrauß des Frühlings auf den Tisch stellen
- In einen saftigen Pfirsich beißen
- Mit Gummistiefeln in eine Pfütze springen
- Der Duft des frisch gebackenen Hefezopfes zu Ostern
- Sich gegenseitig durchkitzeln, bis man keine Luft mehr kriegt vor lauter Lachen
- Frisch gemähtes Gras schnuppern
- In ein frisch bezogenes Bett steigen
- Ein vierblättriges Kleeblatt finden
- Die ersten warmen Sonnenstrahlen im Gesicht
Von Johanna Dank