Handprint - der ökologische Handabdruck

Auf den Handabdruck kommt's an

Den „ökologischen Fußabdruck“ kennen alle. Jünger ist die Idee des „Handabdrucks“: Er steht für die positiven Seiten der Nachhaltigkeit – und motiviert viel besser als Gebote und schlechtes Gewissen.

Viele Hände halten eine Weltkugel fest.
Foto: Shutterstock

„Es ist schwer, aus einer
negativen in eine positive Sicht zu kommen.“ – Samanthi Dijkstra-Silva, Juniorprofessorin an
der TU Dresden

Es gibt verschiedene Versionen des Ursprungs dieser Idee. Die schönste stammt aus Indien und geht so: Bei einem Projekt zur nachhaltigen Entwicklung Anfang der Nullerjahre kam ein 10-jähriges Mädchen namens Srija auf die Idee, ihr Handabdruck könnte doch für das stehen, was zur positiven Entwicklung der Welt beitragen würde. Tatsächlich ist es die kleine Hand von Srija aus Hyderabad, die das Logo einer weltweiten Bewegung bildet: „Handprint“. Das ist gedacht als Gegenstück zum länger bekannten Fußabdruck: Der wird bekanntlich größer und schlimmer, je mehr wir reisen und dabei CO2 produzieren, je mehr wir (falsch) konsumieren und Ressourcen verbrauchen – ein steter warnender Zeigefinger, den viele Menschen ignorieren oder dem sie sich sogar extra nicht beugen möchten. Der Handabdruck besagt das Gegenteil: Er wird größer und besser, je mehr wir auf Nachhaltigkeit hinwirken. In der Familie, im Haus, Viertel oder in der Öffentlichkeit. Ein Beispiel illustriert die Idee: Wer seinen Fleischkonsum reduziert, ist vernünftig und verkleinert seinen Fußabdruck um ein winziges Stückchen. Wer aber zusätzlich mit seinem Freundeskreis darüber spricht, mit guten Argumenten und Überzeugungskraft, und obendrein in der Uni-Mensa oder der Betriebskantine nach vegetarischen Angeboten fragt – der vergrößert seinen Handabdruck. 

 

 

Tests, Ideen und Beispiele 

„Ich finde die Idee des Handabdrucks sehr spannend und sehr plastisch“, sagt Samanthi Dijkstra-Silva, Juniorprofessorin für Nachhaltigkeitsbewertung und -politik an der TU Dresden. Die Verhaltensforschung sei da eindeutig: „Es ist klar, dass eine positive Motivation mehr freisetzt.“ Dass Nachhaltigkeit meist mit Verboten, Verzicht und eventuell schlechtem Gewissen verbunden wird, ist ein großes Problem: „Diese Zuschreibung haftet besonders stark“, erklärt Dijkstra-Silva, „es ist sehr schwer, aus einer negativen in eine positive Sicht zu kommen.“ Dabei kann der Handabdruck helfen. Die veränderte Haltung, oder neudeutsch das „Mindset“, ist ein wichtiger Hebel. Das haben knapp 2.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erkannt, die einen offenen Brief zur Weltklimakonferenz im Dezember 2023 unterschrieben haben. Der war nicht etwa an die in Dubai tagenden Machthabenden gerichtet, sondern an alle Anwesenden. „Wir brauchen euch!“, heißt es da, und weiter: „Wenn wir eine lebenswerte Zukunft haben wollen, muss Klimaaktivismus zu etwas werden, das wir alle tun, nicht etwas, was andere tun.“ In Deutschland hat zum Beispiel die Umweltorganisation Germanwatch die Handabdruck-Idee aufgegriffen und bietet auf ihrer Webseite germanwatch.org/de/handprint viele Tests, Ideen und Beispiele. Wir können eine Tauschbörse in unserem Wohnviertel gründen, eine Bio-Tonne für die Hausgemeinschaft aufstellen, mehr recyceln, Lebensmittel retten oder Fahrgemeinschaften bilden. Wichtig ist bei allem, was wir tun, die gemeinschaftliche Aktion. „Beim Handabdruck geht es um Impact, um positive Wirkung“, erklärt Samanthi Dijkstra-Silva, die das Konzept seit Jahren erforscht. „Fußabdruck ist Reduktion, Handabdruck ist Impuls und Veränderung.“

Von Bio-Beratung bis Klimapfad 

„Der Schlüssel liegt darin, im Fuß- und
im Handabdruck voranzugehen.“ – Dr. Maike Sippel, Professorin für Nachhaltige
Ökonomie an der Hochschule Konstanz

So erlebte es auch Dr. Maike Sippel, Professorin für Nachhaltige Ökonomie an der Hochschule Konstanz, in einem Experiment mit Studierenden im Rahmen des Projekts „Climate Challenge“. Zunächst ging es darum, sich mit dem eigenen Fußabdruck zu beschäftigen, anschließend darum, Verbündete zu suchen und sich eine Veränderung der Rahmenbedingungen zu überlegen, zu der man selber beitragen kann: „Diese Handprint Challenge ist eine Einladung, sich nicht nur als Konsumentin oder Konsument, sondern als engagierte Bürgerin oder Bürger zu sehen“, schreibt Sippel dazu. Der Schlüssel liege darin, zugleich im Fuß- und im Handabdruck voranzugehen. Nahrungsmittel sind ein schönes Feld für vergrößerte Handabdrücke – auch dort hilft nicht nur die persönliche Entscheidung, sondern das Überzeugen von anderen. Beispielhaft macht das der Verein „NAHhaft“ (nahhaft.de), der unter anderem daran arbeitet, Landwirtschaften und Verbraucherinnen und Verbraucher von Lebensmitteln zusammenzubringen, um eine sozial-ökologische Neuausrichtung von Landwirtschaft und Ernährung zu fördern. In Hessen bietet NAHhaft Kantinen eine Bio-Beratung, in Leipzig berät der Verein einen Caterer, der mehrere Schulen beliefert. Beispiele, wie man den Handabdruck vergrößern kann, gibt es natürlich auch aus anderen Bereichen. In Frankfurt gründete ein Lastenradfan mit seiner Frau und Freunden das Projekt „Lastenradler Frankfurt“. Über Spenden und Crowdfunding organisierten sie drei Räder, die über main-lastenrad.de neben anderen kostenlos gebucht werden können. Im bayerischen Bernried gründeten Studierende die Bürgerinitiative „Bernried kann Klima“. Sie eröffneten in der Gemeinde einen Klimapfad mit Informationen rund um das Thema Ökologie, um darauf aufmerksam zu machen, wie die Klimakrise auch ihre Gemeinde beeinflusst. Der Alltag ist voller Chancen, seinen Handabdruck zu verbessern, im persönlichen Umfeld oder auf gesellschaftlicher Ebene. Nur dogmatische Haltungen, verrät Samanthi Dijkstra-Silva, vermeidet man dabei besser: „Der erhobene Zeigefinger hat sich nicht bewährt.“ 

 

Wie wir unseren Handabdruck vergrößern:

  • Wenn Sie sich etwa für bessere Fahrradwege einsetzen wollen: Lokale Bürgervertretungen wie Gemeinde- und Bezirksräte sind bei solchen Themen entscheidend und bieten viele Zugänge zum Mitreden.

  • An vielen Orten gibt es schon „Ernährungsräte“, die für nachhaltige und gesunde Lebensmittel streiten. Sie können mitmachen oder – mit vielen wertvollen Erfahrungen von anderen – selbst gründen. (Aktionsposter unter: germanwatch.org/de/84715)

  • Geldanlage hat gesellschaftliche Auswirkungen – wer etwa über Fonds in umweltfreundliche Unternehmen investiert, vergrößert seinen Handabdruck.

  • Tauschbörsen im lokalen Umfeld helfen, unnötigen Konsum zu vermeiden. Sie zu nutzen, verkleinert den Fußabdruck – wer sie mitorganisiert, vergrößert gleichzeitig den Handabdruck.

  • Erfahrungen teilen: Wer zum Beispiel einen seriösen Ökostrom-Anbieter findet, gute Bio-Produkte oder nachhaltige Reinigungsmittel, kann viel bewirken, wenn er davon erzählt, vielleicht andere überzeugt.

  • Durch Spenden an Klimaschutz-Initiativen oder freiwillige Kompensationszahlungen. Mehr Infos: Deutsche Emissionshandelsstelle (dehst.de)

  •  Viele Ideen für Engagement liefert der „Handabdruck- Test“ auf handabdruck.eu (von Brot für die Welt und Germanwatch).

Text: Raimund Witkop