Familienbetrieb Ackerlei

In die Suppe geguckt

Wie eine Herde Bullen das Bioland-Suppengemüse des Familienbetriebs Ackerlei im hessischen Bruchköbel veredelt – und warum der Basismix fürs Suppenglück das ganze Jahr über frisch zu haben ist.

Ein Mann und eine Frau stehen zusammen auf einem Lauchfeld und lächeln in die Kamera
Der ökologische Landbau bestimmt das Leben und Denken von Rebekka und Thomas Zell. „Dass Menschen durch unsere Arbeit gesundleben können und nicht krank werden, ist die größte Motivation.“

Wer bestes Bio-Gemüse produzieren will, muss Rinder mästen. Jedenfalls wenn er es mit der Kreislaufwirtschaft ernst meint wie der hessische Landwirt Thomas Zell in Bruchköbel bei Hanau. Sein Ehrgeiz: „Wir wollen optimale Bedingungen für eine nachhaltige, gesunde und biologische Lebensmittelerzeugung schaffen.“ Rund 40 Kulturen, von Cherry-Tomaten bis Zwiebeln, bauen die Zells in ihrem Betrieb „Ackerlei“ an. Die Reste, die beim Ernten und Aufbereiten, beim Schneiden, Schnippeln und Verpacken übrig bleiben, werden den 20 bis 25 Rindern als strukturreiches Kraftfutter verabreicht. Es müssen Bullen sein, denn sie wandeln das Restgemüse in Muskelmasse um, Kühe würden eher Fett ansetzen.

Ein Gemisch aus dem Rindermist, aus Stroh und Gemüseabfällen wird neun Monate lang kompostiert und schließlich als Dünger ausgebracht. Das sorgt für „einen ganz anderen Kick im Bodenleben, eine gute Krümelstruktur“. Thomas Zell: „Rinder unterstützen den Kreislauf aktiv. In unseren Breiten ist langfristiger Humusaufbau nur mit einer guten Rinderhaltung möglich.“

Zells Bioland-zertifiziertes Suppengemüse ist also auch ein Ergebnis nachhaltiger Viehwirtschaft. Möhre, Sellerie und Lauch, Petersilie, Petersilienwurzel und Pastinake fügen sich, je nach Kombination, zum Grundstoff für eine aromatische Suppe. Bis zu 300.000 Schalen Bio-Suppengemüse liefert Ackerlei im Jahr an tegut..., gezogen auf 60 Hektar des insgesamt 150 Hektar großen Unternehmens mit Betriebsstätte in Bruchköbel und dem Birkenhof in Seligenstadt.

„Dass Menschen durch unsere Arbeit gesund leben können und nicht krank werden, ist die größte Motivation.“

Vom Briefträger zum Landwirt

Das alles begann in einem Bauwagen. Den hatte sich Zell vor über 20 Jahren in die Nähe zweier Bauernhöfe gestellt. Dort startete er, nach Zusammenbruch und einer schweren Krise, in ein neues Leben. Der ehemalige Briefträger lernte Landwirt: „Ich merkte: Die Landwirtschaft steckt in mir drin.“ Mit ein paar Bio-Produkten auf anderthalb Hektar gepachtetem Land fing Zell mit 28 Jahren an.

Seither bestimmt ökologischer Landbau sein Leben und sein Denken. „Wenn ich sehe, dass Menschen durch unsere Arbeit gesund leben können und nicht krank werden, ist das ist für mich die beste Motivation.“

Heute ist er Chef eines Familienbetriebes mit 50 Arbeitsstellen, Ehefrau Rebekka und der älteste Sohn arbeiten mit. Zum Unternehmen gehören die Vertriebsorganisation für den Bio-Fachhandel, zwei Hofläden, Verkaufsstände auf fünf Wochenmärkten, ein Bio-Lieferservice und ein Online-Shop. Für die 20 bis 30 Saisonarbeitenden hat Zell ein „Sozialgebäude“ mit Küche, Essraum, Bädern und Zimmern gebaut.

Nebenan wacht Hofhund Emmi vor der 48 mal 24 Meter großen Produktionshalle, in der das Bio-Suppengemüse ein Viertel der Fläche beansprucht. Viele Mitarbeitende waschen und putzen die Wurzeln und Knollen, schneiden sie auf die passende Größe. Maschinell arbeitet dann erst die Waage und sorgt für die richtige Komposition, 300 Gramm Lauch, Sellerie und Pastinake, 200 Gramm Möhren. Dann wandert alles auf die Bänder der Packstraße, landet in einer Pappschale und wird mit dünner, wasserdurchlässiger Folie umhüllt. Beim Gang durch die Halle wiegt Thomas Zell mal hier eine Sellerieknolle in der Hand, streift mal dort von einer Lauchstange sanft die Erde ab – für ihn ist das alles mehr als ein seelenloses Produkt.

Nur folgerichtig, dass das Wasser, mit dem das Gemüse gereinigt wird, in einem eigens gebauten Becken aufgefangen und in den Kreislauf der Bewässerung zurückgeführt wird. Und natürlich versteht sich, dass die Abwärme der drei Kühlhäuser das Sozialgebäude beheizt. Mit computergesteuerter Kühltechnik nämlich sorgt Zell dafür, dass sein Bio-Suppengemüse das ganze Jahr frisch zu haben ist – besonders in der kalten Jahreszeit, wenn eine heiße Suppe besonders gefragt ist.

Dem Klimawandel trotzen

Mit den Kühlhäusern hat Ackerlei mit verschiedenen Temperaturbereichen Lagerkapazität für Hunderte Tonnen Gemüse. Wurzelgemüse etwa braucht 97 bis 98 Prozent Luftfeuchtigkeit bei einer Temperatur von einem Grad. Möhren lassen sich „ohne Probleme sechs Monate lagern, Sellerie fünf bis sechs, Petersilienwurzel acht“.

Die Felder liefern ständig Nachschub, Möhren etwa von Mai bis November, Sellerie ab August bis zum ersten Bodenfrost, die langsam wachsenden Pastinaken von September bis in den Winter hinein. Und Lauch wächst ohnehin fast elf Monate im Jahr. Auch dieses Gemüse lässt sich, wenn Ausfälle durch Frost drohen, im Kühlhaus „drei bis vier Wochen bevorraten“. Zur Not kauft Zell von Bio-zertifizierten Bauern der Region ein wenig dazu. „Deshalb können wir auch in der Winterpause an tegut... immer liefern.“

Sein Ziel aber ist es, „nur eigene Ware zu haben, zu 95 bis 98 Prozent“. Doch auch hier sorgt der Klimawandel für Störungen. Vor einigen Jahren konnte Zell drei Monate lang keinen Lauch ernten, wegen der Trockenheit. Ein andermal fiel der Babyspinat aus. Er sagt: „Wir sind dabei, uns auf den Klimawandel einzustellen. Wir werden wohl in eine wassersparende Bewässerung investieren müssen.“

Bei einem Betrieb für Gemüseanbau ist das anspruchsvoll. Babyspinat zum Beispiel wird breitflächig gesetzt, „den müssen wir mit Wassernebel besprühen“. Große Wasserkanonen will Zell für seine Pflanzen nicht haben, „das Wasser soll in den Sommern ja nicht unproduktiv verdunsten, sondern möglichst den Pflanzen zur Verfügung stehen“. Dafür braucht es Computer, Steuerungssoftware, Rohrleitungen, Sensoren, Tropfschläuche. Und viel Wasser: Drei Brunnen, bis zu 65 Meter tief, hat Zell auf seinen Flächen schon bohren lassen, ein vierter folgt.

Zell lässt sich in seiner Zuversicht trotz allem nicht beirren. Seit seiner Lebenskrise ist er im christlichen Glauben, ja, verwurzelt: „Ich habe einen heißen Draht nach oben zu unserem Herrn.“ So wird es auch künftig, da ist er sicher, Zells Bio-Suppengemüse geben, das ganze Jahr.

Wussten Sie schon?

Das Gemüse im Familienunternehmen Ackerlei wird nach den Prinzipien des ökologischen Landbaus mit Bioland-Zertifizierung erzeugt. tegut… bezieht neben dem tegut… Bio Suppengemüse auch Babyspinat von dem Hof im hessischen Bruchköbel-Oberissigheim.

 

Text: Ully Foerster

Fotos: Nói Crew X Lêmrich