Naturerlebnisse: Tolle Tipps & Touren

Neu verbunden mit der Natur

Natürlich kann man draußen vor der Tür auch einfach nur spazieren gehen. Immer mehr Menschen wollen aber tiefer eintauchen ins Grün. Wir erkunden die Trends in Sachen Naturabenteuer.

Eine Frau und ein Kind umarmen einen großen Baum
Tree Hugging ist ein Vergnügen, das einen Versuch lohnt. Unser Körper soll durch die Umarmung die heilende Energie der Bäume aufnehmen. Foto: Stocksy

Es kann so beglückend sein, die eigene Komfortzone zu verlassen und in die Natur einzutauchen. Über eine blühende Wiese zu laufen, den flatternden Zitronenfaltern hinterherzuschauen, dem Gesang der Vögel zu lauschen. Vielleicht sogar mal im Wald zu übernachten, im Schutz eines zwischen Bäumen aufgespannten Regendachs. Jetzt, im Frühjahr, wo alles wieder sprießt und blüht, die Farben und die Zugvögel zurückgekehrt sind, suchen wir die Nähe zur Natur, um ein Gegengewicht zu finden: zum Achtstundentag am PC, zu den langen Netflix-Abenden auf dem Sofa, zu den endlosen Stunden am Handy.

Die Natur liegt sozusagen im Trend. Waldbaden ist nach wie vor in. Eine Praxis, die aus Japan stammt und dort „Shinrin Yoku“ genannt wird, was in etwa bedeutet: ein Bad in der Atmosphäre des Waldes nehmen. Auch mal barfuß über den Waldboden gehen – wie fühlt sich das an? Dem Klopfen der Spechte lauschen. „Der Boden ist aufgetaut, der Wald fängt wieder an zu duften“, sagt Naturführerin und -therapeutin Sandra Knümann. Gern fordert sie Teilnehmende in ihren Gruppen dazu auf, mal ein Ohr an die Stämme der Bäume zu legen. Was passiert dann? „Die Bäume ziehen jetzt wieder Wasser aus den Böden. Gelegentlich kann man dann sogar ein Rauschen hören“, so Knümann, „bei Birken mit ihrer dünnen Rinde geht das besonders gut.“ Ein Erlebnis, das ihre Gruppen immer wieder in Staunen versetzt. Zahlreiche Untersuchungen belegen, wie gut uns das Waldbaden tut: Der Körper kommt zur Ruhe, Stresshormone und Blutdruck sinken. „In den Wäldern sind Dinge, über die nachzudenken man jahrelang im Moos liegen könnte“, hat Franz Kafka gesagt. Wie recht er hatte!

Was raschelt denn da?

Die Natur wird immer mehr auch ein Raum für Abenteuer. Und dafür gibt es viele Anbieter. Angeleitet von erfahrenen Guides kann man in kleinen Gruppen die Natur auskundschaften und sich selbst neu erleben, möglichst mal ohne Handyempfang. Das geht bis hin zu Survival- Erfahrungen, bei denen man gemeinsam ein paar Tage im Wald verbringt, sich, soweit es geht, selbst versorgt mit dem, was die Natur hergibt, und aus Holz Unterstände baut, denn das Schlafen im Zelt ist im Wald nicht gestattet. In der Natur zu übernachten ist ein intensives Erlebnis, das bei vielen Outdoor-Fans auf der Wunschliste steht. Wer es etwas weniger abenteuerlich mag, macht eine kürzere Wildniswanderung ohne Übernachtung und lernt dabei die Natur genauer kennen – und sie zu lesen. Auch diese Touren querfeldein, bei denen es nicht um sportliche Höchstleistungen oder Überlebenstechniken geht, sondern um die möglichst genaue Wahrnehmung der Natur, sind neuerdings gefragt.

Christina Blohm lebt seit fünf Jahren in einer selbst gebauten Jurte am Rande der Müritzregion. Es gibt einen Stromanschluss, eine Ofenheizung und draußen eine Komposttoilette. In der Jurte spüre sie die Elemente ganz nah, sagt die ausgebildete Wildnispädagogin. Sie hört, mit welcher Stärke der Regen auf ihr Dach prasselt, der Wind gegen die Wände peitscht. Die 33-Jährige bietet Wildniswanderungen an, erkundet mit Gruppen von Kindern oder auch Familien die Natur. Besonders beliebt sind die Spurenwanderungen, auf denen nach Trittsiegeln gesucht wird, die die Tiere hinterlassen. „Ich sage nicht gleich, um welches Tier es sich handelt, sondern stelle Fragen zu seinen Eigenarten: War es ein großes oder ein kleines Tier, welche Form haben die Läufe? Wir verfolgen die Fährte, überlegen, welche Gangart das Tier hatte, ob es im Schritt unterwegs war, gelaufen oder auch mal gesprungen ist.“ Egal ob Luchs, Wolf, Hase oder Eichhörnchen, es geht darum, sich Zeit zu nehmen, Geduld zu üben. „Tugenden, die in unserem Alltag oft zu kurz kommen“, meint Blohm. Eltern freuen sich, wenn ihr Kind danach „glücklich, stolz und geerdet“ nach Hause zurückkommt, wie eine Mutter schrieb.

Auch eine Familie ist wie ein Baum. Die Zweige wachsen in viele Richtungen, doch die Wurzeln halten alles zusammen.

Auch Selbsterfahrung in der Natur bietet Christina Blohm für Einzelpersonen und kleine Gruppen von Frauen an, die mit Trauer, Stress im Job, Beziehungskrisen oder einfach dem Wunsch nach Veränderung zu tun haben. Auch das ist ein wachsender Trend: unter Anleitung der Natur nahezukommen und dabei Klarheit zu gewinnen, wo man steht und was man will. Element der Selbsterkundung ist die „Baumzeit“. Jede Frau sucht sich „ihren“ Baum aus, befühlt ihn, nimmt ihn mit allen Sinnen wahr, setzt sich eine Stunde lang neben ihn hin. „Es stärkt ungemein, wenn wir uns mit der Natur verbinden“, weiß Christina Blohm. Viele Menschen fühlten sich überfordert von Arbeitsverdichtung, Care-Arbeit und Digitalisierung, litten unter einem Burnout. „Die Natur schafft ein Gegengewicht, die Wildnis ist gleich hinter der Hecke, wir müssen sie nur aufsuchen. Sie will nichts von uns, verlangt nichts von uns, wir müssen keine Rollen übernehmen. Das ist für alle sehr entspannend und entlastend.“ In der Natur, so die Wildnispädagogin, erleben wir deshalb eine stille Freude, die sich von kurzfristiger guter Laune unterscheidet. Oder, in den Worten von Naturtherapeutin Sandra Knümann: „Die Natur lehrt uns Präsenz, auf das Hier und Jetzt zu achten. So können wir unseren unruhigen Geist auf das lenken, was wir mit all unseren Sinnen wahrnehmen und erleben. Die Natur bringt uns bei, uns zu fokussieren.“

Auf zur Wildkräuterwanderung!

Natur ist aber nicht nur Abenteuer und Selbsterfahrung, sondern auch Reichtum – mit allem, was in ihr wächst. Im Frühjahr können wir zum Beispiel Giersch, Bärlauch, Schafgarbe, Sauerampfer oder Spitzwegerich finden und ernten. Alles ist essbar, landet in Salat, Pesto oder Quark. Auch Smoothies lassen sich herstellen, etwa ein Baumblättersmoothie. Denn die zarten, frisch ausgetriebenen Blätter von Spitzahorn, Buche, Birke oder Eiche eignen sich im Frühjahr besonders gut. Dazu passen Löwenzahn, Sauerklee oder Wiesenschaumkraut und frisches Obst. Ein gesunder und vitaminreicher Smoothie, der nach Frühling schmeckt. Wer das Aroma des Waldes auf der Zunge spüren will, probiert es mit selbst gemachtem Fichtensirup, früher auch als „Arme-Leute- Honig“ bekannt. Die jungen, harzigen Triebe der Fichten bieten sich an, um daraus mit Wasser und Zucker einen Sirup zu kochen, der köstlich als Begleiter zu Vanilleeis ist oder auch im Tee gut schmeckt. 

Kostenlose Apps, die uns die Natur nahebringen

Zur Bestimmung einheimischer Pflanzen mit spannenden Steckbriefen. Vorteil: Wer ohne Internet unterwegs ist, kann seine Fotos zu Hause mit den Datenbanken abgleichen.

Von Forschungseinrichtungen entwickelt, erkennt auch fremdländische Pflanzen. Vorteil: Wer ohne Internet unterwegs ist, kann seine Fotos zu Hause mit den Datenbanken abgleichen.

Der NABU (Naturschutzbund Deutschland) informiert mit vielen Fotos über mehr als 300 Vogelarten. Vogelstimmen und Videos können dazugekauft werden.

Marienkäfer oder Mistkäfer? Web-App mit mehr als 450 Insektenporträts und hilfreichen Bildern.

Routenplaner und Navigationshilfe in einem mit vielen Tourenvorschlägen in der Natur von leicht bis anspruchsvoll.

Lust, auf Morchelsuche zu gehen?

Wer mehr über Wildkräuter und Pilze wissen will, bucht eine Wanderung, es gibt mittlerweile in ganz Deutschland etliche Anbieter. Was weniger bekannt ist: Pilze lassen sich fast das ganze Jahr hindurch sammeln, im Frühjahr etwa findet man verschiedene Sorten schmackhafter Morcheln. Ein Anbieter, der sogar bundesweit Wanderungen im Programm hat, heißt Wildschytz (wildschytz.com). „Bei uns geht es nicht nur darum, Kräuter und Pilze kennenzulernen und einzusammeln – nach dem Motto: Ich nehme alles mit, was geht“, betont Tobias Wasle, einer der beiden Wildschytz-Gründer. „Wichtig ist uns auch das Innehalten. Die Natur lädt uns ein, ihre Gaben wertzuschätzen, das Lebensgefühl von Wald oder Wiese zu spüren. Zum Lebensgefühl gehört für Wasle auch: die Nase in den Dreck halten, um etwas am Boden zu riechen, mit schmutzigen Fingernägeln nach Hause kommen, nicht instagramable aussehen müssen. „Auf den Wanderungen hat man die Erlaubnis, mal etwas ganz anderes zu tun als sonst in unserem Alltag.“ Die Kundschaft ist bunt gestreut: Familien, Singles, Paare, Junge und Alte, Verkäuferinnen und Softwareentwickler.

Eines der schönsten Erlebnisse, an das sich Tobias Wasle erinnert: Eine alte Dame fing bei einer seiner Pilzwanderungen an zu weinen – nicht aus Kummer, sondern aus Rührung. Der Geruch nach Erde und feuchten Blättern erinnerte sie an früher, als sie als Kind begeistert mit ihrem Großvater im Wald unterwegs war.

Die schönsten Naturparks und Aussichtspunkte

Größter Bergpark Europas, zählt zum UNESCO-Weltkulturerbe und bietet einen fantastischen Blick über die Gegend. Die berühmten Wasserspiele locken viele Gäste an.

Im ältesten Nationalpark Deutschlands nahe der tschechischen Grenze kommt echtes Wildnisgefühl auf. Berühmt ist vor allem der Baumwipfelpfad, auf dem man bei klarem Wetter bis zu den Alpen schauen kann.

Besonders zur Blütezeit des Ginsters ab etwa Mitte Mai einen Besuch wert, dann ist man hier umgeben von einem Meer aus gelben Blüten. Highlight: Der 85 km lange Wildnis-Trail, der in vier Tagesetappen quer durch den Park führt.

Vom zweithöchsten Berg des Thüringer Walds hat man einen tollen Rundblick übers Thüringer Land, bei gutem Wetter sieht man sogar den Brocken im Harz.

Mitten in Schwabing gibt es hier eine beeindruckende Baumvielfalt von Gingko bis zum Urwelt-Mammutbaum. Labyrinthische Hecken, Liegewiesen, Biergarten und eine tolle Aussicht vom Luitpoldhügel machen das Ganze zum gepflegten Naturvergnügen.

 

Text: Franziska Wolffheim