Das Tierhaltungsgesetz: Alle Änderungen

Stall, Auslauf oder bio?

Bald muss in Deutschland bei Fleischprodukten die Art der Tierhaltung verpflichtend gekennzeichnet werden. Das ermöglicht eine bewusstere Entscheidung beim Kauf. Wir geben einen Überblick über die Änderungen.

Rinder laufen auf der Weide
Bewegungsfreiheit garantiert: Die Rinder der Eigenmarke tegut… LandPrimus leben ein halbes Jahr draußen auf weitläufigen Wiesen. Foto: Achim Multhaupt

Das Huhn scharrt. Das Schwein wühlt. Das Lamm springt über die Wiese, niedlich! So lernen kleine Kinder im Bilderbuch. Später dann, dass die allermeisten der Nutztiere eben nicht so leben. Ein hochemotionales Thema, das viele Menschen in einen dauernden inneren Konflikt bringt. In Umfragen sagen regelmäßig etwa 90 Prozent der Befragten, dass ihnen das Tierwohl wichtig sei. In ihren Konsumentscheidungen bei Fleisch, Milch und Eiern schlägt sich das allenfalls zum Teil nieder.

Im Alltag können wir leicht ausblenden, wie Nutztiere tatsächlich bis zur Schlachtung gehalten werden. Doch jetzt konfrontieren uns eine Reihe neuer Gesetze eben mit dieser Frage. Dabei wird es etwas kompliziert, denn in diesem Jahr ist ein Bündel neuer Regelungen auf den Weg gebracht worden. Seit Februar 2024 muss die Herkunft von allen Fleischprodukten auf den Verpackungen gekennzeichnet sein. Daneben wird das Tierschutzgesetz verschärft, das die Mindestanforderungen für die Haltung setzt. Gerade geht ein Verbot der Anbindehaltung von Rindern in die Abstimmmung. Und, vielleicht am wichtigsten: Schon im August 2023 wurde das Gesetz für eine verpflichtende, staatlich kontrollierte Tierhaltungskennzeichnung verabschiedet, das nun nach und nach umgesetzt wird. Es beginnt mit Schweinefleisch: Eine von fünf Haltungsformen muss angegeben sein, von „Stall“ (am billigsten) bis zu „Bio“.

Der Kampf gegen die Käfighaltung

Der Begriff „Tierwohl“ umfasst das Leben von vielen Millionen Tieren, die für unseren Nutzen gezüchtet und gehalten werden. Dass deren Lebensbedingungen schützenswert sind, war nicht immer so selbstverständlich, wie es uns heute erscheinen mag. Das Verbot der Käfighaltung für Legehennen („Legebatterien“), 2009 endlich in Deutschland beschlossen, musste beispielsweise gegen erhebliche Widerstände durchgekämpft werden. Schon zuvor, seit 2004, gab es in diesem Bereich europaweit die Pflicht, die jeweilige Haltungsform des Gefieders zu kennzeichnen: Wer bereit war, mehr Geld für Eier aus Freilandhaltung auszugeben, tat das fortan mit der Gewissheit, damit etwas zugunsten des Tierwohls zu tun.

Die grundlegende Abwägung zwischen Kosten und Moral wiederholt sich gerade, diesmal für fast alles, was tierischen Ursprungs ist. Wie bei den Eiern steht das „Tierwohl“ auf der einen Seite, der Wunsch nach möglichst günstigen – aus Sicht vieler Menschen: bezahlbaren – Lebensmitteln auf der anderen. Das Gesetz ermöglicht für alle Konsumentinnen und Konsumenten eine bewusste Kaufentscheidung. Selbstverständlich steht „Bio“ an der Spitze der Kennzeichnungspyramide. Bei diesem Prädikat geht es nicht nur um Fütterung mit biologisch erzeugter Nahrung und die Einschränkung von Medikamenten. Vielmehr wurde eine ethisch vertretbare Haltungsart der Mitkreaturen von Beginn an mit in den Blick genommen. Das bedeutet zum Beispiel, dass Schweine Frischluft, Einstreu und verschiedene Aufenthaltsbereiche erhalten, die ihren natürlichen Bedürfnissen entsprechen.

Was tegut... fürs Tierwohl tut:

Die Selbstverpflichtung

Verantwortungsvolle Tierhaltung ist für tegut… so wichtig, dass sich das Unternehmen in seinem „Beschaffungsgrundsatz Tierwohl“ selbst zu Standards verpflichtet, die deutlich über den gesetzlichen Vorgaben liegen. Laut dem aktuellen Bericht (November 2023) liegt der Anteil von Produkten mit „verbessertem Tierwohl“ bereits bei 59 Prozent (Fleisch) beziehungsweise 38 Prozent (Wurstwaren). Diese außergewöhnlich hohen Werte gehen auf den großen Anteil von Bio-Produkten und der Eigenmarke tegut… LandPrimus im Sortiment zurück.

Wichtige Grundsätze für tegut… Bio und tegut… LandPrimus:

  • Transportzeiten von maximal 4 Stunden
  • keine Antibiotika über das therapeutische Maß hinaus
  • natürliche und homöopathische Mittel in der tierärztlichen Versorgung
  • keine Eingriffe am Tier wie Enthornung und Schnabelstutzen
  • eigene und externe Kontrollen

Unterstützung für den Stallumbau

In absteigender Rangfolge geht es weiter mit „Auslauf/ Weide“, „Frischluftstall“, „Stall + Platz“ und schließlich „Stall“. Bei der letztgenannten Bezeichnung gelten die gesetzlichen Mindestanforderungen: mindestens 0,75 Quadratmeter Platz für ein Mastschwein von 50 bis 110 Kilo Gewicht. In der Politik wird schon länger diskutiert, dieses Minimum zu erhöhen, für den nötigen Umbau der Ställe sind Anreize und Unterstützungen im Gespräch.

Zugleich ist offensichtlich, dass das Leben von Schweinen, Rindern, Hühnern und Lämmern nicht so paradiesisch im Freien und Grünen spielen kann, wie es die Werbung gerne suggeriert. Die Haltung von rund 26 Millionen Schweinen in Deutschland auf Bio-Niveau umzustellen, würde einen enormen Flächenbedarf auslösen und Fleisch umgehend stark verteuern.

Wohl aber können Politik, Landwirtinnen, Landwirte und die Kundschaft gemeinsam darauf hinwirken, dass das Tierwohl sich verbessert – zumal das in vielen Aspekten mit einer Verbesserung der Qualität der Produkte einhergeht. In der Selbstverpflichtung von tegut… wird etwa der Einsatz von Antibiotika über das therapeutische Maß hinaus ausgeschlossen. Tierwohl betrifft aber nicht nur die Mast, sondern die gesamte Kette des tierischen Lebens, bis hin zu Transport und Schlachtung. Auch dabei hat sich tegut… strengen Maßstäben verpflichtet.

Tierhaltungslabel

Bislang ist auf vielen Fleischpackungen im Handel eine Haltungsform der Tiere zwischen 1 (Stall) und 4 (Premium) angegeben. Diese Angabe ist freiwillig. Künftig muss die Tierhaltungsform bei Fleisch aus Deutschland verpflichtend angegeben werden. Das neue staatliche Tierhaltungslabel wird erst einmal nur auf Schweinefleisch zu finden sein.

LandPrimus setzt den Maßstab

Das gilt gerade für die Eigenmarke tegut… LandPrimus. Die Erzeugnisse der kleinbäuerlichen Betriebe unterliegen hier in vielen Aspekten strengeren Regeln als „Bio“ nach EU-Maßstäben. Ziel von tegut… ist es, die konventionellen Produkte im Sortiment kontinuierlich auf LandPrimus-Qualität umzustellen.

Im Zuge der Bauernproteste kam im Januar 2024 neuer Schwung in die Tierwohldebatte, als Minister Cem Özdemir einen „Tierwohl-Cent“ ins Gespräch brachte. Das ist eine seit Langem diskutierte Sonderabgabe auf tierische Produkte, die den Lebensbedingungen der Nutztiere zugutekommen würde. Die Reaktionen der Erzeugenden waren so gespalten wie die Gesellschaft insgesamt in dieser Frage.

Es ist gut möglich, dass schon die Kennzeichnungspflicht positive Effekte hin zu mehr Tierwohl auslöst. Dafür spricht das Vorbild der Eierkennzeichnung: Durch das Sichtbarmachen ist der Anteil von Bio- und Freilandhaltung von 19,1 Prozent im Jahr 2010 auf 34,8 Prozent (2022) gestiegen.

 

Text: Raimund Witkop