Stille und Ruhe genießen - so gelingt es!

Pssst, mal hinhören...

Man könnte Stille pauschal definieren als Abwesenheit von Lärm. Spüren wir genauer hin, entdecken wir, dass sie sich ganz unterschiedlich anfühlen kann. Kennen Sie diese Arten von Stille?

Eine Frau sitzt auf einer Yogamatte im Schneidersitz und meditiert.
Foto: Getty Images

Die Kraft der Meditation: Ruhe im Sturm der Gedanken finden

„Meditation verleiht uns inneren Frieden, der aus der Stille des Geistes hervorgeht.“ (Dalai Lama) - die meditative Stille

Die Gedanken sind frei, und das ist ja irgendwie auch gut so, aber sie sind auch frech, weil sie sich so viel herausnehmen. Immer wieder tauchen sie auf, schießen quer, vor allem die unschönen, schweren Gedanken – und vor allem dann, wenn wir doch einfach nur zur Ruhe kommen möchten, wenn wir Stille in unserem Kopf brauchen, zum Beispiel vor dem Einschlafen. Per Meditation können wir unseren Verstand beruhigen und die ersehnte Stille herstellen. Das ist anfangs gar nicht so leicht, weil es einem gelingen muss, die Gedanken, die durch die äußerliche Ruhe unweigerlich angezogen werden, ziehen zu lassen. Dabei hilft es, jeden Gedanken, der ins Bewusstsein kommt, mit einer wertschätzenden Haltung wegzusortieren. Nach dem Motto: Danke, dass du da bist, ich nehme mir später Zeit für dich, denn jetzt gerade möchte ich meditieren. Wer regelmäßig versucht, sich und seinen Kopf in meditativer Stille zu versenken, lernt das schnell. Im Inneren entsteht so eine friedliche Ordnung, die sich unterschiedlich anfühlen kann. Vielleicht nimmt man die Geräusche der Welt nur noch entfernt wahr, hat das Gefühl, auf einem Berg zu sitzen und in ein entferntes Tal hinabzuschauen. Oder man wird zum stillen See, der ruhig daliegt und die Dinge um sich herum nur auf seiner Oberfläche widerspiegelt. Oder man hört alles um sich herum genau, nur sich selbst nicht – alle inneren Geräusche und Gedanken sind verschwunden, die inneren Stimmen sind verstummt. Im eigenen Inneren ist es herrlich still und beglückend leer.

Ruhige Reise

Sieben Stille Orte in Deutschland, die einen Besuch lohnen.

  • Das Museum der Stille in Berlin

    Foto: Nikolai Makarov

    Kunstvoll: Im Museum der Stille in Berlin laden großformatige Bilder des Künstlers Nikolai Makarov zur Kontemplation ein. Seine Wolken- und Landschaftsfragmente machen es einem leicht, sich darin zu verlieren. museum-der-stille.de

  • Das Gutshaus Gottin

    Foto: Hendrikje Pietsch

    Meditativ: In Mecklenburg-Vorpommern, am Rande des Städtchens Gottin, liegt das Gutshaus Gottin, in dem man sich einmieten kann. Nach dem Motto „In der Ruhe liegt die Kraft“ werden hier Workshops und Coachings für die innere Klausur angeboten. gutshaus-gottin.de

  • Eine Steinstatue, die eine Taube in den Händen hält, die sie in den Himmel streckt.

    Foto: Wikimedia

    Naturschön: Der Waldfriedhof München, 1907 fertiggestellt, ist der erste Waldfriedhof Europas. Das Besondere: Er ist nicht in geometrischer Strenge angelegt, sondern die Grabstätten, Wege und Friedhofsanlagen wurden in die bereits bestehende Waldfläche integriert. Bei einem Spaziergang über den Friedhof fühlt man sich so der Natur sehr nah. stadt.muenchen.de

  • Foto: Shutterstock

    Sportiv: Auf dem Panoramaweg Schwarzatal hat man gute Chancen, allein unterwegs zu sein – ob mit dem Fahrrad oder zu Fuß. Dank der vielen wild wachsenden Kräuter wird das Tal auch als „Thüringer Kräutergarten“ bezeichnet. Insgesamt ist der Weg etwa 130 km lang, lässt sich aber gut in einzelne Etappen unterteilen. wanderbares-deutschland.de

  • Eine Luftaufnahme einer Burg

    Foto: Shutterstock

    Besinnlich: Klöster sind per se Orte der Stille und in vielen ist es möglich, als Gast unterzukommen. Landschaftlich schön gelegen und in bester Weingegend angesiedelt ist die Benediktinerinnenabtei St. Hildegard in Rüdesheim am Rhein. abtei-st-hildegard.de

  • EIn Fluss, umgeben von Bäumen, wo sich in der Ferne ein Haus befindet

    Foto: Shutterstock

    Aktiv: Auf dem Pfad der Stille durchs Schöntal in der Nähe von Heilbronn wandern: Die insgesamt fünf Pfade führen vorbei an Klöstern, Burgruinen, Kirchen und viel schöner Natur. pfade-der-stille.de

  • Das UNESCO Biosphärenreservat Rhön bei Nacht.

    Foto: Florian Trykowski

    Stille Nacht: In dem Dreiländereck Bayern, Hessen und Thüringen liegt das UNESCOBiosphärenreservat Rhön, das als internationaler Sternenpark anerkannt ist. Dank der dünnen Besiedlung kann man hier nachts in aller Stille einen gigantischen Sternenhimmel erleben. biosphaerenreservat-rhoen.de

 

Die Stille des Wartezimmers: Zwischen Hoffen und Bangen

„Wie groß kleine Geräusche in der Stille werden.“ (Cornelia Funke) – die angespannte Stille

Ein Wartezimmer ist ein seltsamer Ort. Es können noch so viele Menschen darin sitzen, die zwar alle dasselbe Ziel haben – die Ärztin oder den Arzt zu sprechen –, dennoch verspürt man hier kein Gefühl der Zusammengehörigkeit: Jede und jeder wartet für sich allein. Die Stille, die hier herrscht, entspringt nicht nur dem gesellschaftlichen Konsens, dass man in Wartezimmern nicht plaudert, vielmehr verspüren hier wohl auch die größten Quasselstrippen kein Bedürfnis nach Small Talk. Telefongespräche sind gleich ganz tabu, die Begrüßung von Neuankömmlingen wird eher niederfrequent gebrummt und wenn ein Kind anwesend ist, wird es wispernd angewiesen, sich schön still zu beschäftigen. Hier herrscht die Stille der Anspannung, die Ruhe vor dem Sturm, der Moment hinter der Bühne, bevor sich der Theatervorhang hebt. Der Mensch im Wartezimmer sitzt in einem Zwischenreich, in dem er nichts anderes mehr tun kann als auszuharren, mehr oder weniger geduldig. Die Vorbereitungen sind abgeschlossen, die Spielkarten verteilt. Die äußere Stille füllt sich im Inneren mit umso lauter brausenden Fragen: Was habe ich? Wird man mir helfen können? Wann werde ich wieder gesund? Oder banger: Werde ich wieder gesund? Nach außen hin manifestiert sich dieser Lärm in leisem Zeitschriftenblättern oder gelegentlichem Räuspern. Und endet erst, wenn der erlösende Ruf kommt, dass man an der Reihe ist. Dann gibt es zwar kein Zurück mehr, aber wenigstens rückt auch der Moment der Gewissheit näher und mit ihm die Möglichkeit, dass alles wieder gut wird.

 

Die Macht der Stille: Kreativität und Inspiration finden

„Der Weg zu allem Großen geht durch die Stille.“ (Friedrich Nietzsche) – die geduldige Stille, in der Dinge reifen

Die Erfolgsserie „Mad Men“ zeigt eindrücklich, wie die Hauptfigur, der erfolgreiche Werber Don Draper, auf neue Slogans für seine Werbespots kommt: Er zieht sich in sein Büro zurück, schließt die Tür hinter sich und die lärmenden Schreibmaschinen und das wild diskutierende Kollegium davor aus. Dann hüllt er sich in Zigarettenrauch, greift sich ein ordentlich gefülltes Whiskyglas und starrt schweigend auf die Wände seines Büros. Manchmal macht er zwischendurch auch ein Nickerchen. Er liest nichts, er recherchiert nichts, er notiert nichts. Er lauscht ausnahmslos der Stille in seinem geschmackvoll eingerichteten Mid-Century-Büro in Manhattan. Um früher oder (meist) später mit einer brillanten Idee wieder nach draußen zu treten. Das funktioniert nicht nur im Fernsehen: Wer kreative Prozesse in seinem Gehirn anstoßen will, muss manchmal raus aus dem Dauerfeuer des Alltags und sich geduldig in Stille versenken. Denn in dieser Ruhe und vermeintlichen Ereignislosigkeit können sich neue Gedanken formen, der Kopf wird klar, weil er nicht mehr auf Außenreize reagieren muss. Versuche mit Labormäusen haben gezeigt, dass in so einer produktiven Stille neue Nervenzellen im Hippocampus wachsen. Oder wie es der Psychiater und Neurowissenschaftler Prof. Dr. Volker Busch ausdrückt: „In unseren Gehirnen passiert das Gleiche, was wir auch anderswo in der Natur sehen: Wachstum vollzieht sich dann, wenn die Welt vermeintlich stillsteht.“

Stille in Zahlen

 Bei ruhigem Wetter werden für Schneefall etwa 10 Dezibel gemessen, so laut bzw. leise ist auch das menschliche Atmen.

Wir Menschen empfinden Geräusche zwischen 40 bis ca. 65 Dezibel als leise, normal und angenehm. Laut wird es für uns ab einer Lautstärke von ca. 80 Dezibel, das entspricht etwa dem Geräusch eines Staubsaugers.

Eine schalltote Kammer in der Firmenzentrale von Microsoft in Redmond bei Seattle. Die Kammer schluckt 99,999 Prozent der Geräusche und hat einen Störschallpegel von minus 20,6 Dezibel, d. h. 20,6 Dezibel unter dem Punkt, an dem das menschliche Hörvermögen einsetzt. Absolute Stille wie diese halten wir übrigens nicht lange aus, sie macht uns Angst.

Unsere Schlafqualität wird schon von Geräuschen ab 25 Dezibel beeinträchtigt. Zum Schutz vor nächtlicher Lärmbelästigung hat die WHO 2009 einen Grenzwert von einem jährlichen durchschnittlichen nächtlichen Geräuschpegel von max. 40 Dezibel eingeführt. Das entspricht etwa dem Lärmpegel einer ruhigen Straße in einem Wohngebiet.

 

Der Wald als Ort der Stille und Erholung

„Ich verstehe nicht, wie man an einem Baum vorübergehen kann, ohne glücklich zu sein.“ (Fjodor Dostojewski) – die beruhigende Stille

Welche Orte assoziieren wir mit Stille? In eine Runde gefragt, würde wohl ziemlich schnell jemand den Wald nennen. Auch wenn es dort ja selten so richtig still ist: Es knackt, es rauscht, die Vögel singen in den Ästen, die Eichhörnchen witschen die Baumstämme rauf und runter. Aber all diese Geräusche sind eine Wohltat für uns gestresste Gegenwartsmenschen, liebliches Tirili statt lautem Trara. Sobald wir einen Wald betreten, legt er seinen schützenden Mantel um uns. Dieser zauberhafte Ort schirmt uns ab vom Lärm der Welt mit ihren permanenten Anforderungen. Hier kann niemand so einfach auf uns zugreifen, im besten Fall haben wir sowieso keinen Handyempfang. Auf seine leise und sanfte Art animiert uns der Wald, in ihn einzutauchen und ein wohltuendes Waldbad für Körper und Seele zu nehmen. Durch die natürliche Ruhe senkt sich unser Stresslevel, das Durchatmen fällt uns leichter, wir werden eins mit der Natur und damit Teil eines großen Ganzen. Im Farbenspiel des Waldes kommen die Augen zur Ruhe, egal ob sie grün sehen oder bunt oder im Winter vielleicht sogar weiß. Es darf nur niemand auf die Idee kommen, der schönen Stille des Waldes ein düsteres Adjektiv zu verpassen. Dann kann aus dem Zauber schnell ein Schauder werden – und von dem profitieren dann nur noch Krimiautorinnen und -autoren.

Achtsame Anleitung für einen Winterspaziergang

Die eigene Verbindung zur Natur spüren – in der kühlen und optisch eher kargen Jahreszeit ist das ein ganz besonderes Erlebnis. Diese Schritte helfen dabei:

  • 1.

    Bevor es überhaupt losgeht: Achtsamkeit ist schon bei der Wahl der Kleidung gefragt. Sie sollte warm genug sein, aber auch genug Bewegungsfreiheit lassen. Nehmen Sie lieber eine Schicht mehr mit und am besten auch eine isolierte Decke oder eine Isomatte, um sich unterwegs auch mal hinsetzen zu können.

  • 2.

    Wohin soll der Spaziergang führen? In den Wald, über Felder, rund um einen See oder in den nahe gelegenen Park? Entscheiden Sie sich je nach Stimmung bewusst für ein Ziel (und beim nächsten Mal dann bewusst für ein anderes).

  • 3.

    Keine Sorge, wenn Sie vielleicht nur eine halbe Stunde für Ihren Spaziergang haben. Laut einer Studie der University of Michigan von 2019 kann, wer sich dreimal pro Woche in der Natur entspannt, sein Stresslevel messbar reduzieren. Demnach reichen schon 20 bis 30 Minuten im Wald oder Park aus, um das Stresshormon Cortisol im Körper zu senken.

  • 4.

    Wer nicht direkt vor der Haustür losläuft, sondern sein Ziel erst noch per Bus, Bahn oder Auto ansteuern muss, versucht am besten, schon auf dem Weg ein bisschen runterzukommen (und sich nicht noch über andere Verkehrsteilnehmerinnen oder -teilnehmer aufzuregen).

  • 5.

    Nehmen Sie beim Gehen die Natur um sich herum mit allen Sinnen wahr, konzentrieren Sie sich dabei nacheinander mal nur auf einen Sinn: Was rieche ich? Was sehe ich? Was schmecke ich? Was höre und fühle ich? Wer zum Beispiel bei Schneefall unterwegs ist, kann den Flocken beim Niederrieseln zusehen, die Schneeluft riechen, kann versuchen, zu hören, wie die Flocken auf der Hand landen, und in sich reinspüren, wie sich das anfühlt. Und ja, auch als Erwachsener darf man noch vom Schnee probieren.

  • 6.

    Saugen Sie nicht nur alle Eindrücke auf, sondern auch die frische Luft ein und achten Sie während des Spaziergangs auf eine tiefe Atmung.

  • 7.

    Machen Sie unterwegs Pausen. Schauen Sie sich in aller Ruhe um mit der Neugier eines Kindes: Was knistert hier denn so? Welches Tier hat hier wohl seine Spuren hinterlassen? Was sind denn das für Bäume? Und werden Sie so zumindest für den Moment eins mit der Natur.

 

Das wohltuende Schweigen tiefster Verbundenheit

„Ein Blick sagt mehr als tausend Worte.“ – die innige Stille

Ein Restaurant an einem Freitagabend. Stimmengewirr. Teller klappern. Gläser klirren. Die Bedienung tänzelt zwischen den Tischen umher. Definitiv kein Ort der Stille, eigentlich. Doch mitten in diesem lauten Raum sitzt ein Paar beim Essen und schweigt. Ist es die Art von Schweigen, die bedeutet, dass man sich leider nichts mehr zu sagen hat nach 7, 14, 21 Jahren Beziehung? Und deshalb nur noch Plattitüden austauscht oder sich lieber gleich mit dem Smartphone unterhält? Nein, wobei man vielleicht nur einen Tisch weiter schauen müsste, um ebendiese Art von Paarschweigen zu entdecken, die quasi zur Grundausstattung eines jeden Restaurantbesuchs gehört. Aber unser Paar hier in der Mitte des lauten Raumes schweigt auf die gute Art. Sein Schweigen ist Ausdruck tiefer Verbundenheit, tiefen Vertrauens. Die beiden müssen sich nicht (mehr) durch andauerndes Quatschen einander versichern, da zu sein. Sie empfinden die Stille zwischen ihnen nicht als einen Zustand, der kaum auszuhalten ist. Im Gegenteil: Sie genießen sie, gemeinsam und in dem schönen Gefühl von „Du bist gut so, wie du bist, ich bin gern an deiner Seite“. Sie wissen, welche Momente keine Worte brauchen, aber sie wissen auch, dass so ein Miteinanderschweigen nur möglich ist, wenn es in ihrer Beziehung andererseits auch hörbaren Austausch gibt, gemeinsames Lachen, Erzählen, Diskutieren. Der Grat zwischen dem Miteinander-schweigen- Können und dem Sich-Anschweigen ist schmal. Manchmal liegt nicht mal eine Tischbreite dazwischen.

 

Text: Katharina Wantoch