Ernährung und Lebensmittel der Zukunft

Willkommen: die Lebensmittel von morgen

Lupinenschnitzel und Veggi-Hack kennen wir. An welchen nachhaltigen Innovationen in Start-ups und Laboren derzeit noch getüftelt wird.

Ein Kreisdigramm aus Lebensmitteln
Foto: Stocksy

 

Jährlich kommen laut Statistik der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) 40.000 neue Lebensmittel auf den Markt, nur gut 13.000 behaupten sich über zwei Jahre hinaus. Der Rest weiche neuen Trends, an der Spitze dabei: pflanzliche Lebensmittel. „Ein signifikanter Wandel, der uns bevorsteht, ist der Übergang von einer auf tierischen Produkten basierenden Ernährung zu einer pflanzenbasierten“, erklärt Hanni Rützler, Europas führende Food-Trendforscherin und Herausgeberin des „Food Reports 2024“, im Interview mit dem Schweizer Magazin „Salz & Pfeffer“. Grund seien die Ressourcenprobleme in der Milch- oder in der Fleischindustrie, gerade in Bezug auf den Klimawandel. Neben Obst, Getreide und Gemüse gewinne die Vielfalt an Hülsenfrüchten, Pilzen, Samen, Nüssen und Algen an Bedeutung, auch bei der Herstellung neuer Lebensmittel.
 

 

Seit elf Jahren erstellt die österreichische Ernährungswissenschaftlerin und Foodtrend-Forscherin Hanni Rützler im Auftrag des Zukunftsinstituts den Food Report.

Nachdem Lupinenschnitzel, Sojawürste und Veggie-Hack zum Standardsortiment gehören, sind pflanzenbasierte Fischalternativen jetzt im Kommen. Während Großunternehmen sich eher auf wenige, beliebte Fischprodukte wie Thunfisch oder Fischstäbchen konzentrieren, tüfteln vor allem Start-ups an neuen Angeboten.

  • Sieht aus wie Räucherlachs: Was diese Bowl veredelt, kommt aber nicht aus dem Meer. Der Lachs ist aus Erbsenprotein, Algenextrakt, verschiedenen Pflanzenölen aus Flachssamen und Raps hergestellt.

„Taste Like“ aus Süderlügum im Norden Deutschlands zum Beispiel entwickelt den Feinkostklassiker Heringssalat auf Auberginenbasis. Das Berliner Start-up „Esencia Foods“ setzt auf Alternativen zu Fisch- und Meeresfrüchten auf der Grundlage von Pilzmyzel. „Revo Foods“ aus Wien ist nach eigenen Angaben die erste Firma, die das 3-D-Verfahren nutzt, um aus Erbsen und weiteren Zutaten veganen Fisch zu produzieren. Und „Koralo“ aus München versucht es beim pflanzlichen Kabeljau mit der uralten Technik der Fermentation von Algen und Pilzen. In Südkorea, dem Land mit dem größten Pro-Kopf-Fischkonsum, wird er schon verkauft, in Deutschland soll es spätestens in einem Jahr so weit sein.

Ein Blick auf die Zahlen zeigt, warum es sich lohnt, Neues auszuprobieren: Der weltweite Fischkonsum steigt kontinuierlich an, die Überfischung nimmt zu. Nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO stieg er 2023 auf 166,1 Millionen Tonnen. Pro Kopf bedeutet das rund 20,6 Kilogramm.

Zuckerwatte ohne Zucker

Was die Entwicklung zu neuen Produkten generell befeuert: Immer mehr Menschen definieren sich über die Art, was und wie sie essen. Neben Nachhaltigkeit spielen dabei zunehmend auch gesundheitliche Aspekte eine Rolle. Trendsetter auf der Süßwarenmesse ISM in Köln waren Zuckerwatte ohne Zucker, Chips auf Linsen-, Reis- oder Kartoffelbasis oder plastikfreier, auf natürlichen Rohstoffen basierender Kaugummi. Dazu boomt Hafer als Milchersatz und als Getreidegrundlage für Gebäck und Kekse.

In den Laboren wird derweil an pflanzlichen Proteinalternativen und neuen Produkten geforscht. Von Christian Zacherl zum Beispiel. Der Wissenschaftler und Geschäftsfeldmanager Lebensmittel am Fraunhofer Institut wird von Großunternehmen und Start-ups beauftragt. „Wir erschließen immer wieder neue Rohstoffe oder bisher ungenutzte Quellen“, sagt er, „ein aktuelles Projekt befasst sich mit der Verwendung von Hanfsamen, die für Fleischalternativen texturiert werden.“ Auch Presskuchen aus Sonnenblumen oder Raps, die bisher als Nebenprodukte der Ölpressung galten und als Tierfutter verwendet oder weggeworfen wurden, werden nun zu hochwertigem Fleisch- sowie Milchersatz verarbeitet, um aus vermeintlichen Abfällen nachhaltige Produkte zu gewinnen.

Auch kürzere Zutatenlisten in Lebensmitteln tragen zu einem besseren Produkt bei. Ziel ist es, die pflanzlichen Proteine schonender zu gewinnen, damit ihre hohe Funktionalität wie Gelbildung oder Wasserbindung erhalten wird und sie geschmacksneutral bleiben. Dadurch kann auf Zusatzstoffe wie Verdickungsmittel oder künstliche Aromen bei der Produktentwicklung verzichtet werden.

Lebensmittelproduktion im städtischen Raum

Neben dem Geschmack sind Saftigkeit und Bissfestigkeit entscheidend, um Verbraucherinnen und Verbraucher für ein neues Produkt zu begeistern. Mit modernen Verfahren wie der Extrusionstechnologie entstehen am Fraunhofer Institut Pflanzenpattys mit natürlichen Farbstoffen aus Pflanzenextrakten oder sogar Fleischersatz aus Biertreber. Heimische Ölquellen wie Raps oder Sonnenblumen können tropische Fette wie Kokos- oder Palmfett ersetzen und bieten darüber hinaus gesundheitliche Vorteile durch ungesättigte Fettsäuren.

Prof. Dr. Monika Schreiner, Leiterin des Forschungsprojekts „food4future“ im brandenburgischen Großbeeren, denkt noch einen Schritt weiter. Wie können wir eine wachsende Weltbevölkerung mit ausreichend gesunden Lebensmitteln versorgen und wie lässt sich Lebensmittelproduktion in den städtischen Raum integrieren?

Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte „food4future“ setzt auf innovative Anbausysteme, die wenig Frischwasser benötigen und stattdessen Salzwasserorganismen wachsen lassen, wie Makroalgen, Salzpflanzen oder Quallen. Aus ihnen lassen sich innovative Lebensmittel wie grüne Smoothies mit Meeresspargel oder Quallenchips herstellen. „Sie haben einen ähnlichen oder sogar höheren Proteingehalt als herkömmliches Fleisch. Auch wenn die Proteinzusammensetzung eine andere ist, sind alle essenziellen Aminosäuren enthalten“, sagt Monika Schreiner. Die Vision ist, Freiflächen in der Stadt zu nutzen – Industriebrachen, Dächer oder stillgelegte U-Bahn-Tunnel –, um angesichts knapper werdender landwirtschaftlicher Anbauflächen Lebensmittel dort anzubauen, wo in Zukunft die meisten Menschen leben werden.

 

Innovative, nachhaltige Produkte bei tegut...

3 Fragen an Fritz Konz, Leiter tegut… Qualitätsmanagement

Neu im Sortiment ist z. B. der Hersteller „Rapunzel Naturkost“ mit einer breiten Auswahl an Bio-Premium-Produkten. „Rapunzel“ ist Bio-Pionier und engagiert sich im besonderen Maße für faire Lieferketten. Des Weiteren fördern wir im Bereich Schokolade führende Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit, wie „Tony’s Chocolonely“ oder „Fairafric“. Bei „Fairafric“ wird die Schokolade im Ursprungsland hergestellt, was einen Teil der Wertschöpfung zurückbringt.

Wir bemühen uns, die Tierhaltungsbedingungen für Geflügel weiter zu optimieren, und beschäftigen uns bei Schweinen mit einer robusteren Genetik für bessere Tiergesundheit. Wir arbeiten nicht nur am nachhaltigen Fisch in der Eigenmarke, sondern stellen als erster Händler auch die Markenartikel so um, dass wir in naher Zukunft im gesamten tegut… Sortiment Mindeststandards bei Fischartikeln sehen werden. Außerdem beschäftigen wir uns weiterhin intensiv mit nachhaltigen Verpackungen.

Ich glaube, ganz konkret haben sich Pasta-Alternativen aus z. B. Linsen etabliert oder pflanzenbasierte herzhafte Aufstriche. Ich sehe ein anhaltendes Interesse an alternativen Proteinen, da wird allerdings noch viel ausprobiert. Mich freut es, dort in Zukunft geringere Verarbeitungsgrade und kürzere Zutatenlisten zu sehen.

 

Text: Jessica Jungbauer