Herzlich Willkommen

Einladungen gekonnt meistern

Willkommen zur kleinen Verhaltensgrammatik für Gäste und Gastgebende, speziell rund um die Weihnachtszeit.

Ein Portaitfoto von Saibe Cole
Saibe Cole, Foto: Mario Kersten

 

SABINE COLE
ist unter anderem Autorin und Blattmacherin. Für ihr erstes Kochbuch hat sie zwei Monate lang in Südfrankreich einen Haufen Freunde bewirtet. Danach  war sie froh, wenn andere für sie kochten. Heute liebt sie kleine, lustige Runden, und da gibt es auch manchmal einfach nur Abendbrot.

Ich werde willkommen geheissen. (1. Pers. Sing. Präsens Passiv)

Jemand, dem Sie irgendwie verbunden sind, hat einen Anlass gefunden, Freundinnen, Freunde, Familie oder Teammitglieder zu sich zu bitten, vielleicht sogar eine rasante Mischung aus allen drei Komponenten. Der Rahmen ist privat, denn für einen gemeinsamen Restaurantbesuch sind die Spielregeln einfacher und deswegen an dieser Stelle zu vernachlässigen.

Zunächst einmal die Rahmenbedingungen. Wer ist der Absender der Einladung: nette Nachbarin, bester Freund, Mutter, Chef auf der Suche nach Bestätigung, komischer Bekannter von früher – woher hat der eigentlich meinen Kontakt? Dann die Form der Einladung: hübsche Karte, vielleicht sogar selbst gebastelt? Schnoddrige E-Mail, Zettel im Briefkasten? Daraus lässt sich abschätzen, ob der Aufwand für die oder den Einladenden hoch einzuschätzen ist. Sie gucken in den Kalender und seufzen: Ausgerechnet in der Vorweihnachtszeit, wenn alle den Kalender eh schon voll haben! Dafür die vorgezogene Volleyballteam-Nikolausfeier sausen lassen? Sie wägen ab und antworten auf die Einladung flugs entschuldigend oder begeistert. Damit haben Sie schon mal alles richtig gemacht. Denn jetzt weiß die gastgebende Person, wie viele Menschen zu bewirten sind. Eingeladene, die nicht aboder zusagen, sind wie Phantomschmerzen. Man rechnet mit viel Arbeit und Trubel, und am Ende kommen „nur“ die zwei besten Freundinnen. Mit der Zusage dürfen Sie gern zwei weitere Höflichkeiten verbinden: Sie sind auf ein winterliches Balkon-Barbecue eingeladen und haben gerade Ihre Ernährung auf vegan umgestellt? Eine kleine Notiz à la „Ich komme gerne, brauchst für mich kein Fleisch zu besorgen, ich liebe gegrilltes Gemüse“ entlastet enorm, weil Sie klargemacht haben, dass man für Sie kein teures Entrecote, aber auch keine Extra-Sperenzchen einplanen muss.

Die zweite Info, über die sich jede Gastgeberin und jeder Gastgeber freut: Wenn nicht explizit eine weitere Person mit eingeladen ist, dann fragen Sie nach, wenn Sie auf keinen Fall alleine kommen können. Es macht für die Tischplanung durchaus einen Unterschied, ob man zu einem ambitionierten Dinner spontan den neuen Sexualpartner oder die gelangweilte Tochter mitbringt, damit diese „mal aus ihrer Teeniehöhle kommt“. Antizipieren Sie Anlass und Umfang der Einladung, stellen Sie Nachfragen rechtzeitig, reagieren Sie zum u.A.w.g.-Termin und informieren Sie im Rahmen des Nötigen über Ernährungsstile, damit Sie nicht erst am gedeckten Tisch postulieren, dass Sie aus ethischen Gesichtspunkten den Verzehr von Tieren mit weniger als acht Beinen verabscheuen. Dann gibt’s nur noch eine Frage zu klären, bevor Sie pünktlich eine knappe Viertelstunde zu spät vor Ort erscheinen: Was bringe ich mit? Schnittblumen nur, wenn mit wenigen Gästen zu rechnen ist. Sonst ist der Zeitaufwand, noch eine freie Vase zu finden, zu groß. Dessert nur, wenn Sie dazu aufgefordert wurden. Ist das Mitbringsel verpackt, hilft eine beigefügte Karte den Gastgebenden, sich im Anschluss zu bedanken. Wein geht immer, aber verzichten Sie bei der Übergabe auf langwierige Erklärungen zu Provenienz, Jahrgang und Investition. Überhaupt ist alles, was hohen Erklärungsbedarf hat, zu vermeiden. Gäste haben bedeutet (auch) Stress. Sich von allen Ankommenden zehn Minuten anzuhören, was man sich bei der überreichten Collage aus den Urlaubsbildern der letzten Dekade gedacht hat, überfordert die Kapazitäten von Gastgebenden. Und bedenken Sie bei der Begrüßung: Sie sind willkommen. Was für ein Privileg!  

Ich heisse willkommen. (1. Pers. Sing. Präsens Aktiv)

Die ehemalige „Miss Tagesschau“ und Moderatorin von unzähligen TV-Shows Dagmar Berghoff antwortete sinngemäß auf die Frage, ob sie es für einen Verlust halte, dass es im Fernsehen keine Programm-Anmoderation mehr gäbe: Oh ja, ohne Moderation wissen die Zuschauenden nicht, was sie erwartet, und es ist einfach unhöflich, Gäste mit dem Programm alleinzulassen. Damit ist sehr gut umrissen, was die eine Aufgabe von Gastgebenden ist: die Moderation. Und zwar auf eine höfliche, aufmerksame und, ja, auch auf eine dienende Art. Nicht umsonst sind die Wörter „Gast“ und „geben“ miteinander kombiniert. Wer einlädt, entscheidet sich, etwas zu geben. Ein schönes Essen, eine üppige Kaffeetafel, eine Party mit Häppchen und Engtanz.

Ziel einer Einladung sollte es sein, Gästen einen guten Moment zu bereiten. Die Zutaten sind denkbar einfach: Essen, Trinken, Unterhaltung und ein Gefühl des absoluten Willkommenseins. Großzügigkeit ist die Grundlage von Gastfreundschaft. Das gilt für die Menge der Speisen wie für die Überlassung der Gesprächshoheit. Eine Einladung ist kein Anlass zum aktiven Dozieren, Präsentieren oder Lobeinheimsen. Wenn Sie kochen, dann nicht, um zu beweisen, was Ihr Dampfgarer draufhat. Sondern um Ihren Gästen eine genussvolle Grundlage für schöne Gespräche zu bieten. Sie lieben Wein? Schön für Sie! Aber Ihre Gäste sollen beim Essen lachen und nicht nach Adjektiven ringen, um Ihnen beim Sommelier-Vortrag Paroli zu bieten. Sie haben den Nachtisch vermasselt? Bitten Sie einen Gast – irgendeinen Gast – von der Tanke Eis – irgendein Eis – mitzubringen. Eine Kugel Vanilleeis rundet einen schönen Abend besser ab als die Selbstgeißelung einer verzweifelten Gastgeberin.

Das Glück des Gastgebenden beginnt im Moment der Verabschiedung des letzten Gastes. Schön war’s. Müde und seufzend denken Sie beim Aufräumen: Ich werde nie wieder willkommen heißen. Das ist dann Futur I Aktiv. Vor der nächsten Einladung.

 

Text: Sabine Cole