Nachhaltigkeit, Klimaschutz und gesunde Ernährung

Das können wir auch ganz anders machen

Ein Plädoyer für offenes, unangepasstes, manchmal auch widerständiges Querbeet-Denken. Denn nur so entstehen ungewöhnliche Ideen für mehr Nachhaltigkeit, Klimaschutz und gesunde Ernährung.

Verschiedene Gemüsesorten
Foto: etepetete

Das Start-up etepetete rettet Gemüse

Sie lieben krumme Dinger: Die Macher des Münchner Start-ups etepetete sammeln bestes Obst und Gemüse in Bio-Qualität, das nur einen Makel hat – es entspricht nicht der Norm. Mal ist es zu klein, mal zu groß, mal zu krumm, mal zu gerade. Eine ringförmige Gurke? Kein Problem. Eine Möhre mit fünf „Beinen“? Her damit! Woanders landet so etwas in der Abfalltonne, bei etepetete kommt es in die Kiste – in die vollständig recycelbare „Box“, die bis an die Haustür geliefert wird. Die Produkte werden vor Ort gekauft, dadurch entfallen lange Lieferketten.

Portrait von Georg Lindermair und Christopher Hallhuber
Georg Lindermair (l.) und Christopher Hallhuber, Gründer von etepetete, Deutschlands größter überregionaler Gemüsekiste | Foto: etepetete

Der Frankfurter Verein ShoutOutLoud

Das kleine Team von etepetete gehörte selbst noch zum jungen Gemüse, als es 2015 ein Start-up aufzog – wie es sich für eine große Idee gehört, in einer Garage. Inzwischen geht die Zahl der Mitarbeitenden auf die Hundert zu, neue Lieferorte wurden erschlossen. Auch der Frankfurter Verein ShoutOutLoud bewahrt gutes Essen noch rechtzeitig vor einem schmählichen Ende in der Tonne. Gemüse und Obst vorwiegend, das nur etwas kleiner, runder oder krummer als der vorgege­bene Typstandard ist. Ihren „Foodtruck“ parken sie gern auf Messen, Bauernhöfen oder in Innenstädten. Dann wird geschnippelt, gekocht und serviert, gern auch mal ein Drei-Gänge-Menü auf einer Wiese. Sobald Corona es erlaubt, werden die Macher von ShoutOutLoud wieder Workshops und Events gegen Lebensmittelverschwendung organisieren

Und nebenbei wird informiert: über die Folgen von Lebensmittelverschwendung, über die Plastikvermüllung. Aber auch über den Spaß, den so ein Bemühen um Nachhaltigkeit bringen kann. „Schlau. Frisch. Anders.“ lautet ein Motto der Gemüse­retter von etepetete. Es könnte auch als Leitsatz all jener Menschen gelten, die mit außergewöhnlichen Ideen die Welt verändern. Vielleicht nicht gleich die ganze. Aber doch wenigstens ihre oder die ihrer Nachbarn.

Querdenker im besten Sinne

Es sind Querdenker im besten Sinne, nicht zu verwechseln mit Querulanten oder irrlichternden Quertreibern. Die Wissenschaft nennt sie „laterale“ oder nichtlineare Denker. So ein Mensch ist ein Rebell der Konventionen, ein Non­konformist. Er will „out of the box“, raus aus der gewohnten Umgebung, dem gewohnten Handeln – gedanklich, körperlich. Denn nur so sieht er mehr, sieht er neu, kommt er weiter. So einer erkennt Dinge, die anderen verborgen bleiben. Eine runde Erde. Kontinente, die sich bewegen. Licht fressende Löcher zwischen den Sternen. Er ist ein Infragesteller, nicht nur der herrschenden, sondern – oft viel schwieriger – auch der eigenen Ansichten.

Der schwäbische Pfänder-Hof der Brüder Johann

Im besten Fall führt die Antwort zu einer revolutionären Idee, zu einer umwälzenden Erfindung. Oder zu einer, die schon uralt ist. Zurück in die Zukunft sozusagen. Auf dem schwäbischen Pfänder-Hof der Brüder Johann und Florian Pfänder in Schwabmünchen hat man sich längst von den Monokulturen der Neuzeit verabschiedet und ist zu altbewährten Fruchtfolgen zurückgekehrt. Im einen Jahr binden sogenannte „mehrende Pflanzen“, Kleegras etwa, Stickstoff und bekämpfen Unkraut. Im nächsten Jahr folgen „zehrende“ Gemüse, Hackfrüchte oder Getreide. Das Ergebnis ist ein verbesserter Boden. Bei den Pfänders kommt auch der gute alte Kompost wieder zu Ehren – Abfälle oder nicht verwert­bares Grünzeug haben immer noch genügend Nährstoffe, um am Ende, ganz ohne Chemie, besten Dünger abzugeben.

Anders denken weckt Widerstände

Man muss also nicht das Rad neu erfinden, um „out of the box“ zu denken oder zu handeln. Natürlich gelingt das in den meisten Fällen nicht ohne Widerstände. Schließlich ist jeder Andersdenker irgendwie auch ein Störenfried. Auch über die Pfänders schüttelten die Bauern anfangs den Kopf, als sie ihren Weg vom einträg­lichen konventionellen hin zum risikoreicheren organisch-biologischen Landbau beschritten. Bereut haben die beiden Brüder dies jedoch nie. „Es ist ein Weg der Vernunft und der Zukunft für uns“, sagen sie.

Die Imkerei Summtgart in Stuttgart

An die Zukunft denkt auch Tobias Miltenberger, genauer an eine, die summt und brummt. Der Imker aus Stuttgart betrachtet Bienen als „höhere Wesen“. Neudenker sind eben keine Langweiler, kauzige Ansichten inklusive. Doch mit Esoterik oder gar irgendeiner Religion hat das nichts zu tun. Viel mehr mit einer Bewunderung für die geflügelten Honigsammler. Vor allem aber hat es zu tun mit einem in jahrelanger Beschäftigung erarbeiteten Sachverstand. Und genau das ist ein wesentliches Merkmal jedes Menschen, der neu denkt, eines, das ihn von einem lautstarken Spinner unterscheidet.

Bienen Naturwaben
Ökologisch und wesensgemäß nennt Tobias Miltenberger seine Imkerei Summtgart

Auch Imker Miltenberger und seine Mit­streiter setzen nicht allein auf die eine alles umwälzende Idee. Für ihr Ziel einer „ökologischen und wesensgemä­ßen Bienenhaltung“ hält der Schwabe Vorträge, arbeitet maßgeblich an einer Bienenzeitschrift mit, gibt Seminare und Kurse. Auch alte, leider zu Unrecht vergessene Methoden werden neu entdeckt. Er lässt den Bienen ihren natürlichen Trieb zur Vermehrung, die Waben fabrizieren sie selbst, eine künstliche Zucht der Königinnen wird nicht vorge­nommen. „Schließlich“, sagt Tobias Mil­tenberger, „soll unsere Beziehung keinen von beiden schwächen, sondern stärken.“ Stark machen statt schwächen, den Einzelnen und alle – vielleicht ist dies ja die schönste Idee dieser besonderen Spezies von Menschen. Auch Sie wollen aktiv werden und Bienen unterstützen? Dafür benötigen Sie nicht einmal unbedingt einen Garten: Informieren Sie sich gerne in unserem Blogartikel zum Thema bienenfreundlicher Balkon.

Von Maik Brandenburg