Das richtige Geschenk finden

Eine kleine Typologie der Schenker

„Hauptsache, mit Liebe gemacht“ oder „Wie du mir, so ich dir“: Beim Schenken scheiden sich die Geister. Damit es unterm Weihnachtsbaum keine Enttäuschung gibt, ist es gut zu wissen, mit welchem Typ wir es zu tun haben. Dann können wir besser schenken – und uns vielleicht sogar über Socken und Mixer freuen.

Portrait Katrin Wilkens
Katrin Wilkens | Foto: Marianne Moosherr

Eine Typologie der Schenker

Ich liebe meinen Mann. Wirklich. Ich würde ihn jederzeit, überall und am liebsten dreimal in Reserve erneut heiraten. Nur beim Schenken ist er die Pest. Einmal kaufte er mir ein beiges Strickkleid, in dem ich nicht nur aussah wie eine Salami im Wabennetz, sondern mich auch genauso fühlte. Er sah das Desaster und sagte nur: „Ich habe so eines genommen, das du noch gar nicht in deinem Kleiderschrank hattest.“ Danke für die originelle Überraschung. Die Verkäuferin, der wir die modische Naturdarmhülle zurückbrachten, meinte nur gütig: „Blumen sind ja auch ein sehr schönes Geschenk, nicht wahr? Und da kann man auch nie was mit falsch machen.“

Bei mir kann man auch mit Blumen was falsch machen. Ich bin nämlich ein Geschenke-Nerd. So nerdig, dass ich eine perfekte Schenker-Typologie aufzeigen kann:

Die Listen-Schenker

… fangen schon im Oktober an, die Vorjahrsliste der zu Beschenkenden herauszusuchen (Excel!), sie mit den eigenen erhaltenen Präsenten abzugleichen („Oh, von Frau Müller kam nur ein Blümchen“) und dann akkurat aufzulisten, wer was zu welchem Preis bekommt. Listen-Schenker sind so etwas wie die Controller unter dem Weihnachtsbaum. Originalität ist zweitrangig – eine präzise Vorbereitung dagegen alles. Geschenke, über die sich Listen-Schenker meiner Erfahrung nach selbst sehr freuen: Amazon-Gutscheine (kann man für nächstes Jahr noch gebrauchen), „Sieht teurer aus als es war“-Geschenke (Schmuck aus Fundhausversteigerungen) und pragmatische Präsente (Weinflaschen, aber bloß nicht personalisiert.) Geschenke, die überhaupt nicht ankommen: so etwas wie ein Adventskalender aus 24 Komplimenten. Was schenkt man denn da bitte zurück?

Die Last-Minute-Schenker

… flitzen ohne den Hauch eines schlechten Gewissens fünf vor Ladenschluss zu Douglas und sagen: „Ich brauche noch etwas für meine Frau.“ Lassen es einpacken – oder noch besser: nehmen gleich ein eingepacktes Präsent, das schon in der Nähe der Kasse rumliegt. Meist ist diese Spezies männlich, mittelalt und bekommt von Mama immer noch Socken, so dass Weihnachten eh nicht zu überladen ist mit so etwas Unnötigem wie persönlichen Beziehungsbotschaften. Was soll der Mist? Wie du mir, so ich dir. Achtung, zum Muttertag wiederholt sich dieses Ritual dann oft: Es werden dann die Blumen von der Tanke. Mit Silbermanschette. Last-Minute-Schenker freuen sich über alles, was den Erwartungsdruck an sie niedrig hält: Ein guter Rum ist ebenso gefragt wie das übliche Rasierwasser, das man eh benutzt. Ach, und so schlecht sind Socken ja nun auch wieder nicht. Was passt überhaupt nicht? Selbstgestrickte Socken – in denen ist nämlich jede Masche ein Aufforderung, siehe oben: wie du mir, so ich dir…

Die Gutschein-Schenker

…sind meist Kinder: „Gutscheihn füa einmal aufreum“ steht dann in krakeliger Schrift auf einer Karte und wenn man ihn nicht am Weihnachtsabend selbst einlöst („Bring mal das Geschenkpapier in das Altpapier. Ich löse jetzt (!) meinen Gutschein bei dir ein“), liegt er meist jahrelang ungenutzt in der Schreibtischschublade. Mein ältester Sohn hat mir mal gestanden: „Ich habe immer zwei Herzen drauf gemalt und auch einen Fehler extra reingemacht – du fandest es dann immer ,goldig‘“. Wenn Erwachsene Gutscheine verschenken, muss man höllisch aufpassen, ob dahinter nur eine sozial erlaubte Absichtsbekundigung steckt („Irgendwann gehen wir mal richtig fein essen“) – oder ob die Beschenker es ganz besonders gut meinten und schwer beleidigt sind, wenn man ihn nicht einlöst („Und meinen Fallschirm-Gutschein wolltest du damals auch nicht…“). Merke: Gutschein-Schenker wollen alles, nur keinen Gutschein. Und meist ist ein Gutschein nur ein Schuldeingeständnis für ein Kräfteungleichgewicht: „Ich freue mich zwar über etwas Tolles, Großes, Einmaliges, aber mir fehlt leider die Fantasie oder Lust, mir selbst etwas auszudenken.“

Der Do-it-yourself-Schenker

…sind die ambitionierten Kreativen unter den Schenkenden. Die basteln aus 24 Komplimenten einen Adventskalender oder kleben 100 Liebesbriefe zu einer spektakulären Collage zusammen. Man trenne diese Kreativ-Cracks tunlichst vom Gutschein-Schenker, sonst brennt die Hütte. Was man aber gut kombinieren kann, sind Do-it-yourself- Schenker und Excel-Schenker. Die beiden als Team: Hammer. Da kommt immer etwas Feines raus. Ich habe mir neuerdings übrigens angewöhnt, meinem Mann klar zu sagen, über was ich mich freue: Immer am 1.11. gehe ich mit ihm einkaufen, sofern das Datum nicht auf einen Sonntag fällt und suche mir dann genau das aus, was mir gefällt, aber selbst zu teuer wäre. Bis zum 24.12. habe ich es dann erfolgreich wieder vergessen und er freut sich, dass er diesen Ballast los ist und mich garantiert glücklich macht. „Schenke mit Geist ohne List. Sei eingedenk, dass dein Geschenk du selber bist“, schrieb Joachim Ringelnatz. Der hat bestimmt nie ein zu enges Salami-Wabennetz-Kleid tragen müssen.

Kolumnistin Katrin Wilkens

ist freie Journalistin und schreibt unter anderem für „Die Zeit“, den „Spiegel“ und die „Süddeutsche Zeitung“. Sie stammt aus einer hanseatischen Kaufmannsfamilie, studierte Rhetorik und scheut sich nicht, offen über Geld zu reden und die Dinge beim Namen zu nennen. Nach ihrem Buch über „50 einfache Dinge, die typisch deutsch sind“ veröffentlichte sie zuletzt „Mutter schafft! Es ist nicht das Kind, das nervt, es ist der Job, der fehlt“ (Westend Verlag). Ihr Credo in jeder Lebenslage und auch zu Weihnachten: „Jammer nicht, sondern sag einfach, was du willst.“

Katrin Wilkens Buch: Mutterschaft
Cover: Westend Verlag

Von Katrin Wilkens