Wie die Landwirtschaft auf den Klimawandel reagiert

Mit Halbzwergen dem Klimawandel trotzen

Eine Serie von heißen, trockenen Sommern macht die Landwirtschaft zur sichtbarsten Leidtragenden des Klimawandels. Wie sich Forscher und Landwirte auf die neuen Bedingungen vorbereiten.

Sonnenuntergang über einem Mähdrescher
Was immer die Menschheit zuwege bringt, um die Aufheizung der Erde zu bremsen: Die Landwirtschaft muss sofort reagieren | Foto: Stocksy

Bedrohlicher Klimawandel

Es ist schwer, den Sommer nicht zu lieben. Selbst bei großer Hitze, solange eine Badestelle in der Nähe ist. Es war oft heiß in den letzten Jahren und trocken, wochenlang keine Wolke am Himmel. Und auch wenn wir es gerade genießen, ist fast allen bewusst: Das ist nicht gut. Es ist der Klimawandel und er ist bedrohlich. Manche haben noch im Hinterkopf, dass Bund und Länder 2018 – der schier endlose Sommer – einen Teil von etwa 770 Millionen Euro an Einnahmeausfällen ausgleichen mussten, um Bauernhöfe am Leben zu halten.

Klimastudie der Universität Camebridge

Es gibt immer noch Klimawandelskeptiker, die auf längere, womöglich natürliche Zyklen verweisen. Deren Argumente haben im Frühjahr durch eine europaweite Studie einen Schlag erhalten: Die Analyse von Eichen aus ältesten historischen Pfahlbauten, die bis in die Zeit des Römischen Imperiums vor 2100 Jahren zurückreichen, beweist, dass die Dürre der Jahre seit 2015 keine Parallele hat. „Eine solche Serie von Trockenheitsperioden hat es in über 2000 Jahren nicht gegeben“, erklärte Professor Ulf Büntgen von der Universität Cambridge, der die Studie leitete. „Extreme Bedingungen werden sich häufen. Das könnte zerstörerisch für Landwirtschaft, Ökosysteme und ganze Gesellschaften sein.“

Schaf liegt im Schatten auf einer Weide
So viel ist sicher: Auf Weiden braucht es ku?nftig mehr Unterstände und Wasserstellen | Foto: Stocksy

Die Landwirtschaft muss sofort reagieren

Was immer die Menschheit zuwege bringt, um die Aufheizung der Erde zu bremsen: Die Landwirtschaft muss sofort reagieren. Um die 16 Prozent gingen 2018 deutschlandweit an Getreideerträgen verloren, in Schleswig-Holstein 31 Prozent. Im letzten Jahr war es in manchen Regionen ähnlich dramatisch. Hauptbetroffener war der wichtige Weizen.

Halbzwerge: Roggen mit kürzeren Halmen

Nicht nur das Wetter selbst verursacht regionale Unterschiede: Laut Umweltbundesamt sind vor allem Gebiete mit leichtem, sandigem Boden gefährdet, also etwa Teile Ostdeutschlands und das Rhein-Main-Gebiet. „Der Zeitdruck ist hoch“, sagt Dr. Bernd Hackauf, der beim Julius Kühn-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, widerstandsfähige Getreidesorten sucht. Der Trumpf des Züchtungsforschers wird 2021 erstmals auf Forschungsfeldern geerntet: sogenannte „Halbzwerge“, Roggen mit viel kürzeren Halmen. Das spart Energie und Pflanzenschutzmittel und verringert den CO₂-Abdruck. All dies beim „anspruchslosen kleinen Bruder des Weizens“ (Hackauf).

Neubelebung alter Sorten

Wie er arbeiten Wissenschaftler weltweit daran, die Landwirtschaft auf den Klimawandel vorzubereiten. Das EU-geförderte Projekt mit dem sprechenden Namen „AgriAdapt“ empfiehlt generell mehr Diversität und Bodenschutz, dazu Zwischenfruchtanbau und vielfältige Fruchtfolge. Eine weitere Idee ist die Neubelebung alter Sorten, um genetische Informationen für widerstandsfähige Pflanzen zu gewinnen. In der Tierhaltung sind die Temperaturen in den Ställen das Problem – da sind große Anstrengungen zugunsten des Tierwohls nötig. Ställe müssen umgebaut werden, um sie durch Lüftung, Sprinkler und andere Technologien kühlen zu können. In offenen Ställen oder solchen ohne Kühlmöglichkeit könnten Ventilatoren oder Wasservernebelungseinrichtungen helfen. Und auch bei den Nutztieren suchen Forscher nach robusten Rassen.

Am Leibniz-Institut für Nutztierbiologie Dummerstorf wird der Hitzestress erforscht. Dafür stehen Klima- und Respirationskammern mit gewünschten Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsbedingungen zur Verfügung. Das ist für die hochleistenden Milchkühe, die im deutschen Sommer oft unter Hitzestress leiden, und für die Verbesserung der Tierhaltung in südlichen Ländern unter dem Aspekt des Klimawandels von Bedeutung.

Portrait Bernd Hackauf
Dr. Bernd Hackauf vom Julius Ku?hn-Institut sucht als Zu?chtungsforscher nach resistenten Getreidesorten

Weizen immer noch unverzichtbar als Brotgetreide

Um Hitze- und Trockentoleranz geht es auch bei „AgriAdapt“. Beim Getreide gibt es schon länger den Trend, aus südlichen Gefilden stammende Arten nach Norden zu schieben – Mais ist an die deutschen Küsten vorgedrungen, Soja folgt nach, vielleicht Hirse. Das mag fürs Futter eine Alternative sein, als Brotgetreide führt weltweit nichts am Weizen vorbei. Hier kommt wieder Bernd Hackauf mit seinen Roggen-Halbzwergen ins Spiel. Denn was er am Standort Groß Lüsewitz bei Rostock macht, nützt nicht nur dem robusten Roggen selbst, der zwar in Nord- und Osteuropa als Brotgetreide geschätzt wird, überall sonst aber kaum relevant ist. Vielmehr soll er, im Rahmen des Leuchtturmprojekts „Tertius“, dem Weizen günstige Eigenschaften abgeben: „Roggen hat ein hochentwickeltes Wurzelsystem, das dem verwandten Weizen fehlt, deshalb kann er Nährstoffe und Wasser besser aufnehmen und halten. Wir erforschen, wie man mit Merkmalen des Roggens den wichtigeren Weizen stärken kann.“

Hackaufs Methoden fallen unter den Begriff „smart breeding“, das auf der gerade geglückten Entschlüsselung des Roggen-Genoms basiert. Dieses Wissen erlaubt, zielgerichteter bestimmte Eigenschaften zu fördern. Ohne die neue „Gen-Schere“ oder artfremde Gene.

Rohstoff Wasser

Bleibt ein Blick auf den Rohstoff, der bei Hitze besonders gefragt ist: Wasser. Das fehlt in der Dürre und hat andererseits als Starkregen – eine der bekannten Folgen des Klimawandels – katastrophale Folgen, wie zuletzt beim Hochwasser 2013. Menschliche Eingriffe wie die Begradigung von Flüssen und das Bebauen von Überschwemmungsgebieten haben die Fähigkeit der Natur, Wasser zu speichern, stark beeinträchtigt. Die Pläne des Umweltbundesamtes, solchen Risiken langfristig zu begegnen, zielen weniger auf technische Lösungen, sondern auf ein Zurück zum Ursprung: die Wiederherstellung naturnaher Gewässerstrukturen.

Was können wir Verbraucher tun?

Weniger Weizenmehl verwenden

In Deutschland haben Roggen, Dinkel und Co. ihre Fans, weiter im Süden muss es Weizenmehl für Brot und Nudeln sein. Wer darauf öfter verzichtet, trägt zu einem Kulturwandel bei (und lebt wahrscheinlich gesünder).

Regional kaufen

Egal, ob man den „Abdruck“ für Klimagase (CO₂), Energie oder Wasser nimmt: Immer gehört der Transport zu den Faktoren, die eine schlechte Bilanz in die Höhe treiben. Wer regionale Produkte bevorzugt, stärkt die hiesige Landwirtschaft und, teils indirekt, die Diversität auf den Feldern. Viele Hoffnungen ruhen so auch auf einheimischen, „alten“ Sorten. Wenn sie ein Bio-Label haben, umso besser.

Weniger Fleisch essen

Die Fleischerzeugung ist bekanntlich auf allen Ebenen belastend: Energie, Wasser, Klimagase. Hinzu kommt: Das Tierwohl ist unter klimatischen Extrembedingungen noch schwerer zu sichern als ohnehin schon.

Offen für Neues sein

Algen aus Gewächshäusern etwa oder Kakteen weisen eine gute Ökobilanz auf. Auch der Verzehr von Insekten, Quallen & Co., reich an Proteinen und Vitaminen, ist gut für den Menschen, die Umwelt – und die Zukunft unseres Planeten.

Einfach Wasser sparen

Klar, nur mit halbem Druck und nicht zu lang zu duschen, hilft. Aber auch: Geschirrspüler und Waschmaschine möglichst voll beladen. Regen- oder Kochwasser nutzen, um Pflanzen und Rasen zu bewässern, und zwar
morgens oder abends (weniger Verdunstung).

Von Raimund Witkop