Warum Hähnchen aus Oberschwaben eine Lücke füllen, aber keine Lückenbüßer sind. Und deshalb besondere Privilegien genießen.

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Die Tiere sollen es gut haben
Wenn Daniel Stemmer in wadenhohen Arbeitsstiefeln nach seinen Hühnchen sieht, dann zieht er sich am liebsten eine groß karierte Badehose an, Typ: Bermudas. „Dort drin im Stall ist es ja warm“, sagt der Landwirt. Bis zu 35 Grad genauer gesagt, die jungen Tiere sollen es ja gut haben. So gut wie möglich.
Klar, ihr Leben ist kurz, und ihr einziger Sinn ist es, gemästet, geschlachtet und dann verzehrt zu werden.
Bis es aber so weit ist, sorgt Stemmer, 38, mit Herz und Sorgfalt dafür, dass es ihnen besser geht als Abermillionen ihrer Artgenossen. Die müssen oft ohne Auslauf und Tageslicht, in qualvoller Enge und ohne Rückzugsraum möglichst schnell Fleisch ansetzen. Solche Turbomast in Ställen mit bis zu 40.000 oder mehr Tieren, die Massenproduktion auf konventionellem Niveau, ist Stemmer und seinem Abnehmer, der Oberschwäbischen Geflügel GmbH (OSG) in Ertingen nahe Biberach, ein Gräuel. Es widerspricht seinem „Verständnis von Tierwohl“. Stemmer: „Ich glaube, dass das Thema auch Kunden immer mehr beschäftigt.“
Hühnchen mit Privilegien
In seinem Betrieb am Rand des Dörfchens Dieterskirch genießt das Geflügel deshalb, nicht ganz gendergerecht unter der marktgängigen Produktbezeichnung „Hähnchen“ zusammengefasst, jede Menge Privilegien. Es spaziert, wenn die Außentemperatur angenehm ist, durch breite Portale an die frische Luft in einen lichten Wintergarten, den „Kaltscharrraum“, wo es picken, spielen, laufen oder das Gefieder spreizen und pflegen kann.
Im geräumigen Stall, bevölkert von 8000 Hühnern in ständiger Bewegung, liegen Strohballen und Sitzsteine, damit die Tiere auch mal erhöht über allem thronen können. Raufutter regt den Spieltrieb an, und an Picksteinen wetzen sie auf natürliche Weise die Schnäbel ab, sodass sie sich, bei aller ausgeübten Hackordnung, nur wenig verletzen können.
Hähnchen werden seltener krank
So werden die Hähnchen in den Geflügelställen der OSG in den Dörfern zwischen Schwäbischer Alb und Bodensee viel seltener von Krankheiten heimgesucht. Antibiotika werden unter tierärztlicher Kontrolle nur verabreicht, wenn die Tiere krank sind. Prophylaktisch kommen sie nicht zum Einsatz. „Das ist nur ein Minimum“, sagt OSG-Außendienstleiter Patrick Fritz, 30. Ergebnis: 95 Prozent erhalten keine Antibiotika.
Die Rasse „Ross Ranger Classic“
Das Geflügel darf zudem länger leben als die Artgenossen in konventioneller Mast, die in manchen Betrieben so rasch so viel Fleisch ansetzen müssen, dass sie sich kaum noch rühren können. Bei Landwirt Stemmer dagegen gehören die Hühner, wie auch in anderen OSG-Betrieben, der Rasse „Ross Ranger Classic“ nach den Vorgaben des Deutschen Tierschutzbund e. V. an: Solche Tiere wachsen langsamer und werden nicht schon nach 28 Lebenstagen in der Kurzmast, nach 35 Tagen in der Mittelmast oder 42 Tagen in der Langmast zum Schlachthof gekarrt. Die Ranger-Klassiker sind erst nach 48 bis 56 Tagen zu einem marktreifen Produkt von 2,4 bis 2,6 Kilogramm Gewicht herangewachsen. Patrick Fritz: „Dadurch erreichen wir eine noch bessere Tiergesundheit. Zudem ist das Fleisch besser und fester.“
620 Millionen Jungmasthähnchen pro Jahr
Bei rund 620 Millionen Jungmasthähnchen, die in Deutschland jedes Jahr schlachtreif werden, soll das OSG-Geflügel etwas Besonderes sein: Es wächst in eine Marktlücke, da es in Qualität und Haltung der Tiere die konventionelle Mast bei Weitem übertrifft, aber nicht so hochpreisig ist wie ein reines Bio-Erzeugnis. „Damit sprechen wir Kunden an“, sagt der gelernte Handelsfachwirt Fritz, „die Wert legen auf Tierwohl und Regionalität.“
Zu den Pionieren dieses Konzepts gehörte Daniel Stemmer. Der Landwirt, jüngstes von fünf Kindern und damals gerade 22 Jahre alt, hatte 2004 vom Vater den traditionellen Hof übernommen – Schweine und Ackerbau. Neuland sei die Geflügelmast für ihn gewesen, erzählt er, als er 2016 auf das Konzept der OSG stieß. Daniel Stemmer: „Ich war auf der Suche nach einem zusätzlichen Erwerbszweig. Es war gerade der tiergerechte Ansatz, der mir zusagte.“
Schlachtmenge von Geflügel steigt
Als einer der Ersten in der Region baute er nach den Vorgaben der OSG, die aus dem lokalen Familienbetrieb Stauss Geflügel GmbH hervorging, eine neue, 825 Quadratmeter große Halle. Schon „nach einem Jahr Hähnchen-Erfahrung“, erzählt er, „stand ich voller Zuversicht in diesem Stall“. Und er tut es noch: Je mehr Absatz und Preis bei den Schweinen sinken, desto gefragter ist Hähnchenfleisch. Die Schlachtmenge von Geflügel, so hat es das Statistische Bundesamt errechnet, ist in den letzten zehn Jahren um 17 Prozent gestiegen.
Wie neun andere Betriebe liefert Stemmer seine feinen Tiere auf kurzem Weg an die nahe OSG-Schlachterei in Ertingen. Dort werden sie nicht maschinell, sondern in Handarbeit von fest angestellten und coronagetesteten Beschäftigten zu Hähnchenbrust, -schenkeln, -flügeln und ganzen Brathähnchen für tegut… aufbereitet – verfügbar unter der Eigenmarke tegut… LandPrimus: Fleisch mit klarer Herkunft und ohne Gentechnik, mit garantierter Regionalität und aus kleinbäuerlichen Strukturen. Patrick Fritz: „Für diese Haltungsform ist tegut… unser wichtigster Kunde.“ Seit rund sechs Jahren schon. Die gesamte Produktionskette, vom Ei bis auf den Teller, hat voriges Jahr auch den Deutschen Tierschutzbund überzeugt: Er verlieh der OSG und ihren Hühnerfarmen das Label der Einstiegsstufe „Für Mehr Tierschutz“. Patrick Fritz: „Für den bewussten Verbraucher ist das ausschlaggebend.“
Strenge Kontrollen bei OSG Zertifizierung
Damit die vielfach zertifzierte OSG und ihre Hühnerfarmer die Kennzeichnung behalten dürfen, werden sie mit bis zu vier unangekündigten Audits pro Jahr zusätzlich kontrolliert. Auch der Schlachtbetrieb ist nicht ausgenommen: „Dabei ist die ordnungsgemäße Betäubung der Hähnchen der entscheidende Punkt“, sagt Patrick Fritz. Doch davon ahnen die Hühnchen in Stemmers Stall, gerade mal drei Wochen alt, natürlich nichts.
Wenn sich der eher raue Oberschwabe Stemmer, im Herbst erst Vater einer Tochter geworden, eines seiner Junghähnchen greift und mit den Händen umfängt, dann kalkuliert er nicht nur die Kosten und die Mehrarbeit für mehr Tierschutz. „Das muss sich lohnen, sonst bleibt der Stall leer“, sagt der Landwirt. Da ist auch der Respekt vor dem Leben und die Sorge ums Tier spürbar. Und auch ein bisschen Zärtlichkeit. Daniel Stemmer: „Es geht hier alles auf.“
tegut… LandPrimus Hähnchen
Hähnchenbrust, Hähnchenkeulen und Hähnchenflügel unserer Marke tegut… LandPrimus von der OSG erhalten Sie an den SB-Truhen und der Bedientheke, das ganze Hähnchen ausschließlich an der Bedientheke: Fleisch mit klarer Herkunft ohne Gentechnik, mit garantierter Regionalität aus kleinbäuerlichen Strukturen und dem Label „Für Mehr Tierschutz“ (Einstiegsstufe).
Von Uly Foerster