Innovative Ideen

Die Lust am Neustart

Neue Lösungen für alte Probleme: Die brauchen wir, wenn auch die Kindeskinder unserer Kinder noch einen wunderbaren Planeten Erde bewohnen sollen. Wir stellen Ihnen sechs Menschen vor, deren tolle Ideen uns Mut und gute Laune machen. Und ein paar Tipps haben wir auch noch!

Frau mit Globus
Foto: Stocksy

Laufen, hinfallen, aufstehen: So lernen kleine Kinder gehen. Ohne sich Gedanken zu machen, Folgen zu bedenken oder Widerstände vorwegzunehmen. Sie haben ein Ziel vor Augen: die Mutter, die mit ausgebreiteten Armen am Rand der Sandkiste steht.

Wenn es für uns Erwachsene doch auch so leicht wäre! Das Jahr beginnt – und vielleicht haben auch Sie sich einiges vorgenommen. Was lockt und motiviert Sie? Wo möchten Sie etwas bewegen, für sich – und für eine bessere Welt?

Wir stellen Ihnen sechs Menschen vor, die Schritte nach vorn gewagt haben. Aus persönlichen Motiven oder der Einsicht, dass es mit der Ausbeutung unseres Planeten nicht weitergehen kann. Ihre Geschichten zeigen, dass es Visionen und gute Ideen braucht, Mitstreiter und Unterstützer – und die Kraft, sich nach Rückschlägen aufzurichten und weiterzugehen. Dass dazu manchmal viel Geduld nötig ist, zeigt das Beispiel von Anna Vonnemann: Nur eine halbe Stunde baute die Malerin aus Berlin am ersten Prototyp ihres „ReMoD“, der Menschen mit Lähmungen hilft, wieder zu laufen. Doch mehr als zehn Jahre hat es gedauert, das Gerät serientauglich zu machen! Auch die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt, so eine chinesische Weisheit. Unsere sechs Geschichten machen Hoffnung, aufzubrechen und loszugehen!

Lieber reparieren
Den Toaster oder Drucker selbst reparieren, statt neu zu kaufen – das schont Ressourcen und den Geldbeutel. In Repaircafés stehen Ihnen ehrenamtliche Helfer zur Seite. Weil immer mehr Menschen diese Einrichtung nutzen, konnten 2016 weltweit rund 250 000 Kilo Abfall vermieden werden. Hier finden Sie das Nächste: repaircafe.org/de/besuchen.

Neustart als Hobbygärtner: Herr Lesser baut jetzt Gemüse im kommunalen Saisongarten an

Salat pflanzen
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Butterkohl und Bamberger Spitzwirsing: Werner Lesser, 68, und seine Frau Marianne, 61, haben sie im vergangenen Jahr erstmals aus eigenen Samen gezogen. Dass er sich einmal für die Landwirtschaft begeistern würde, hätte der frühere Professor für Arbeitswissenschaft nicht gedacht. Jetzt baut das Paar Gemüse auf einer 80 Quadratmeter großen Parzelle im Saisongarten des Hofgutes Oberfeld an – ein Projekt, das auf eine Initiative von tegut… zurückgeht.

Das Hofgut ist Darmstadts letzter Bauernhof in der Kernstadt, auch Menschen mit Behinderung leben hier, außer den Saisongärten werden vielerlei soziale und ökologische Projekte verfolgt. Die Gärten sind zur Keimzelle für eine kleine Bewegung geworden. Die Initiative lädt einmal im Monat zum Hofgut-Kino mit Filmen zu Umweltthemen ein, Lessers haben das „Saisongarten-Kochbuch“ mitherausgegeben.
Bio ernährt sich das Paar schon seit den 80ern. Doch sie wollten mehr – selber anpacken, die Umwelt schonen und die Vielfalt auf dem Teller genießen. Jedes Jahr fangen sie auf einem neuen Fleckchen Erde an, denn ihr Saisongarten wandert, und ein Teil des Ackers wird zu Brachland – so kann sich der Boden erholen. „Gutes für sich und die Umwelt zu tun, kann viel Spaß machen“, sagt Lesser. landwirtschaft-oberfeld.de/hofgut-saisongarten.html

„Mut steht am Anfang des Handelns, Glück am Ende.“ Demokrit

Neustart Für die Weltmeere: Eine Architektin aus Aachen erfand einen schwimmenden Plastikmüll-Sammler

Meer
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Ihre Idee könnte helfen, eines der größten Umweltprobleme unserer Zeit zu lösen: Marcella Hansch hat für ihre Masterarbeit in Architektur das Pacific Garbage Screening (PGS) entwickelt. Das ist ein 400 x 400 Meter großer Filter, der den Nordpazifik von kleinsten Plastikteilchen befreien soll – ohne Fische und andere Meeresbewohner zu gefährden.

Über ein Kanalsystem wird das Plastik an die Oberfläche geschwemmt, abgeschöpft und mithilfe von Algen in Biokunststoffe umgewandelt. 2016 erhielt Hansch dafür den Bundespreis Ecodesign in der Kategorie Nachwuchs. Derzeit arbeitet sie mit einem engagierten Team Freiwilliger an der Uni Aachen daran, zu beweisen, dass es funktioniert. Um die Finanzierung auf die Beine zu stellen, hat sie einen Verein gegründet und sucht Investoren. „Wenn wir das PGS in ein paar Jahren bauen können, können wir wirklich mit unserem kleinen Team die Welt retten. Das wäre schon cool!“, sagt sie. pacific-garbage-screening.de

Weltbeweger
Wer sich inspirieren lassen oder in zukunfts­trächtige Ideen investieren möchte: Das Portal relaio.de der Hans Sauer Stiftung stellt Start-ups von Weltbewegern vor.

Neustart für die Luft: Studenten entwickeln ein Elektroauto, das Sonne tankt

Elektroauto
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Sie hatten das Abitur gerade hinter sich. Und eine Vision vor Augen – ein Elektroauto, das bezahlbar und familientauglich ist und die Umwelt schont. Und so fingen Laurin Hahn und Jona Christians 2012 an, in der elterlichen Garage in München zu bauen.

Fünf Jahre später, am 27. Juli 2017, stellt Laurin Hahn den „Sion“ ihres Start-ups Sono Motors in München vor. Der kann mit 330 Solarzellen in der Karosserie rund 30 Kilometer autonom fahren – und schafft dank einer Hochleistungsbatterie eine weitere Strecke von 250 Kilometern, bevor er aufgeladen werden muss. Ein „Weltverbesserer-Auto“, staunt das „manager magazin“.

„Wir glauben an eine Zukunft, in der die Menschheit schonend und dankbar mit diesem Planeten umgeht“, schwärmt Hahn. Finanziert haben sie die Entwicklung mit einer Crowdfunding-Kampagne, eine Idee der Dritten im Bunde, Designerin Navina Pernsteiner. Mehr als 700 000 Euro kamen zusammen. Damit der Sion in Serie gehen kann, braucht Sono Motors 5000 Vorbestellungen. Über die Hälfte ist schon geschafft. Und was ist nötig, um sich an so ein ehrgeiziges Projekt zu wagen? „Vertrauen in sich selbst“, sagt Jona Christians. sonomotors.com

Tauschen statt kaufen
Das ist nicht nur was für Sparfüchse, sondern auch für Schlauköpfe. Eine Übersicht über Tauschbörsen finden Sie hier: utopia.de/ratgeber/online-tauschboersen.

Neustart für die Tochter: Ihre Mutter erfand ein Gerät, mit dem halbseitig gelähmte wieder laufen können

Frau im Wald
Foto: Stocksy

„Wenn meine Tochter Dindia und ich wandern gehen, ist nach 14 Kilometern Schluss – weil ich nicht mehr kann. Sie hingegen ist noch lange nicht an ihrer Grenze – dank ReMoD, einem Biofeedback-Gerät, das ich entwickelt habe. Dindia, heute 26, leidet nämlich seit ihrer Geburt wegen eines Schlaganfalls unter einer halbseitigen Lähmung und kann Bewegungen schwer steuern.

Ich träumte immer davon, dass sie irgendwann selbstständig würde laufen können, suchte nach Lösungen. Nach dem Gespräch mit einem Neurologen baute ich aus einer alten Taschenlampe den ersten Prototyp des ReMoD. Immer wenn Dindia zu kippen drohte, leuchtete das Lämpchen, sie korrigierte ihre Haltung. Inzwischen sind wir beim zehnten Prototyp angelangt, der Signale für den gesamten Körper gibt. Damit könnten wir Zehntausenden helfen! Das hat auch die Jury der Vox-Show ‚Höhle der Löwen‘ überzeugt. Das gewonnene Startkapital verwenden wir für ein marktreifes Gerät und seine Zulassung. Wie es dann weitergeht? Eins nach dem anderen. Anfangs hätte ich mir ja auch nie träumen lassen, dass Dindia mich beim Wandern abhängt!“ hemiparese-therapie.de

Ohne Moos nix los
Eine Idee zu haben, ist das eine, sie auf den Markt zu bringen, das andere. Wer auf Crowdfunding-Plattformen überzeugt, sammelt das Startkapital für seine Innovation – und bleibt unabhängig. Die bekanntesten Plattformen: startnext.com, kickstarter.com, indiegogo.com

Neustart für die Seele: Der TV-Moderator, der sich zum Notfallsanitäter ausbilden lässt

Rettungswagen
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 Er rollte mit einem Panzer durch Berlin oder überreichte Ex-Bahnchef Rüdiger Grube im Bademantel ein goldenes Saunahandtuch: Tobias Schlegl, 40, traut sich was. Als Moderator von Satire- und Kultursendungen – aber auch im wahren Leben. Denn vor eineinhalb Jahren hängte er seine lukrativen Jobs an den Nagel und lässt sich seitdem zum Notfallsanitäter ausbilden. Eine Entscheidung, die über Jahre reifte und mit einer Sehnsucht begann: „Ich wollte etwas gesellschaftlich Relevantes machen“, sagte er dem „stern“. Schlegl, der Weltverbesserer: Er ist seit 2007 Mitglied im globalisierungskritischen Netzwerk „Attac“, gehörte dem Nachhaltigkeitsbeirat der Bundesregierung an. „Aber ich wollte selbst etwas tun.“

Seine Motivation trug ihn auch durch Nächte, in denen ihn die Angst vor der eigenen Courage packte. Doch er sagt sich: „Wenn ich einem einzigen Menschen das Leben rette, hat es sich schon gelohnt!“ So konzentriert er sich voll und ganz auf seine Ausbildung. Mit einer Ausnahme: Jeden Dienstag moderiert er auf dem Jugendsender N-Joy die Sendung „Song meines Lebens“ und lässt sich von den Anrufern erzählen, was ihr Leben verändert hat. Damit kennt er sich aus. facebook.com/tobias.schlegl

Ihr ökologischer Fußabdruck
Und wie nachhaltig gehen Sie durchs Leben? Hier können Sie Ihren ökologischen Fußabdruck testen: fussabdruck.de

Neustart für alte Lebensmittel: der Verein „Restlos glücklich“ in Berlin

Teller mit unterschiedlichen Gerichten
Foto: PR

In Deutschland landen pro Jahr rund 18 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. So geht’s nicht weiter, fand die Berlinerin Anette Keuchel, 40, und gründete mit einer Freundin den Verein „Restlos glücklich“.

Welcher Funke brachte alles in Gang?
Im Sommer 2014 las ich über das Reste-Restaurant Rub & Stub in Kopenhagen. Das verarbeitet Lebensmittel, die nicht verdorben sind, die aber trotzdem keiner mehr will: krumme Gurken, falsch beschriftete Ware, bald ablaufende Artikel. Da wusste ich: So etwas brauchen wir auch in Berlin.

Was waren die nächsten Schritte?
Mitgründerin Leoni Beckmann und ich haben eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. 2016 eröffnete das Lokal „Restlos glücklich“ und gewann einen Gründerpreis. Nur rund 15 Prozent der Produkte kaufen wir, der Rest ist Weiterverwertung. Heute hat unser Team vier hauptamtliche Mitarbeiter und etliche Ehrenamtliche, wir geben auch nachhaltige Kochkurse und Workshops für Kinder und Erwachsene. Das Restaurantkonzept wird gerade überarbeitet – Wiedereröffnung im Frühjahr.

Was gibt Ihnen Kraft bei Rückschlägen?
Dass ein Verein ein Restaurant führt, ist an sich ungewöhnlich. Das läuft nicht immer reibungslos. Doch die Idee ist großartig! Mich motiviert auch die Begeisterung der Gäste, wenn wir aus geretteten Lebensmitteln tolle Drei-Gänge-Menüs zaubern. restlos-gluecklich.berlin

Mit kleinen Dingen die Welt retten
Tolle Tipps für den Alltag hat Autor Andreas Schlumberger in seinem Buch „50 einfache Dinge, die Sie tun können, um die Welt zu retten. Und wie Sie dabei Geld sparen“, Heyne Verlag.

Von Sabine Henning